Toxische Formen der Mobilität I-IV
Bedürfnisbefriediger I-II
Spaßverberber I-II
Helmuth (08.2025)
Toxische Formen der Mobilität I
Eine Forschergruppe aus der Abteilung für Volksgesundheit einer Universität in London untersuchte 24 Studien zu der Häufigkeit der Unfälle von Autos mit FahrradfahrerInnen und FussgängerInnen. Das Hauptinteresse galt dem Vergleich zwischen SUV/Kleintransportern und normalen Pkws sowie der Verletzungsschwere, definiert als „tödlich versus nicht tödlich“ bzw. „tödlich oder schwer verletzt versus leicht verletzt“.
Die Wahrscheinlichkeit von Fußgängern und Radfahrern, von einem SUV/Kleintransporter angefahren zu werden, lag bei Erwachsenen aller Altersgruppen um 1,24 und bei Kindern um 1,28 höher als bei einem Pkw (also um ca. 25 %). Die Wahrscheinlichkeit einer tödlichen bzw. nicht tödlichen Verletzung im Vergleich zu einem Pkw stieg bei Erwachsenen auf 1,44 und bei Kindern um 1,82, d.h. um 44 bzw. 82 %. Daraus ist zu folgern, dass SUV/Kleintransportern bei Fußgängern und Radfahrern schwerere Verletzungen verursachen als PKWs. Die Gefährdung von Kinderleben ist dabei besonders hoch.
Die Studie bestätigt damit eine Voruntersuchung aus Australien, in der herauskam, dass SUV knapp doppelt so häufiger mit Todesfolge bei Fußgängern und Fahrradfahrern verursachen und für Kinder das Risiko bei einem Unfall zu sterben verachtfachten.
[Robinson E, et al. Inj Prev 2025;0:1–9. doi:10.1136/ip-2024-045613]
[Edwards & Leonhard, J. Safety Res., 2022, doi:10.1016/j.jsr.2022.06.005]
Toxische Formen der Mobilität II
Das Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik hat 2018 errechnet, dass in Deutschland jährlich rund 446.000 Tonnen Kunststoff in die Umwelt freigesetzt werden; 330.000 t davon machen Plastikpartikel unter 5 mm aus. Diese inzwischen praktisch überall auf der Erde nachweisbar. Rund ein Drittel des Mikroplastik an Land steuert der Abrieb von Autoreifen bei. Der Reifenabrieb ist abhängig von der Reifenbreite, dem Fahrzeuggewicht, der Beschleunigung, dem Verhalten in Kurven und den Straßenbedingungen. Aufgrund der Schwere der SUVs, ihrer hohen Motorisierung und der Breite der Reifen verursachen diese deutlich mehr Mikroplastik als kleine Fahrzeuge.
[https://www.umsicht.fraunhofer.de/content/dam/umsicht/de/dokumente/publikationen/2018/kunststoffe-id-umwelt-konsortialstudie-mikroplastik.pdf]
Toxische Formen der Mobilität III
JA Schermer, Universität von Western Ontario, untersuchte die Frage, welcher Menschentyp sich von Fahrzeugen mit modifizierten Schalldämpfern, um die Lautstärke zu erhöhen, am meisten angezogen fühlt. Untersuchungsteilnehmer waren 529 WirtschaftsstudentInnen, die
Gefragt wurden , ob sie ihr Auto als eine Erweiterung ihrer selbst betrachten, wie sehr sie laute Autos für „cool“ halten und ob sie ihr Auto mit modifizierten Schalldämpfern lauter machen würden. Zudem wurden sich durch eine Selbstauskunft über die Persönlichkeit befragt. Affinität zu Autos mit hoher Lautstärke zeigten speziell männliche Personen mit höheren Werten bei Psychopathie und Sadismus hatte, wobei die Zuneigung zu ca. 30 % erklärt wurde. Schermer bemerkt selbstkritisch, dass der Zusammenhang mit der Größe des Fahrzeugs nicht erfasst wurde und dass frühere Untersuchungen gezeigt hätten, dass größere Fahrzeuge als aggressiver erlebt werden. Sie vermutet, dass wenn Lautstärke und Größe des Fahrzeuges zusammen erfasst worden wären, der statistische Zusammenhang mit Psychopathie und Sadismus noch größer gewesen wäre.
[Current issues in personality psychology, 2023, 11, https://doi.org/10.5114/cipp/162006]
Toxische Formen der Mobilität IV
Das Vergleichsportal Verivox hat ausgewertet, wer sich einen SUV anschafft. Bei Selbständigen und freiberuflich Tätigen sind SUV besonders beliebt. Diese fahren zu 34 Prozent häufiger einen SUV als der Durchschnitt. Bei den überwiegend männlichen Käufern übertrifft bei 50-Jährigen die Beliebtheit der SUV den Schnitt um 14 Prozent, bei der Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen sind es 44 Prozent. Bei der Gruppe zwischen 70- und 79 sogar 60 % mehr als der Durchschnitt. Während die SUV-Fahrer älter sind als der Gesamtdurchschnitt, ist es bei ihren Fahrzeugen anders: Im Durchschnitt sind die Autos der älteren Besitzer sieben Jahre alt und damit deutlich jünger als alle anderen (12,6 Jahre).
[https://www.n-tv.de/auto/Wer-kauft-sich-in-Deutschland-ein-SUV-article24050645.html]
Bedürfnisbefriediger I
VW hat seinen ersten E-Golf 1976 gebaut, die zweite Version dann 1989. Davon haben nur wenige etwas mitbekommen. 2019 produzierte VW den ersten ID3, 2020 den ID4. Der Preis des ID3 betrug im Tour Modell 48.550 Euro. In diesem Jahr lag der Netto-Durchschnittsverdienst bei 24.937 Euro, also ungefähr bei der Hälfte. Angekündigt für einen Preis unterhalb eines Jahresdurchschnittsverdienst wird von VW der ID1 – für 2027, wenn alles gut geht. VW wirbt mit der Konzentration auf die Produktion von SUVs.
[www.volkswagen.de/de/specials/cuv-und-suv-modelle.html]
Bedürfnisbefriediger II
Die neue CDU/SPD Regierung hat die Förderung des Verkaufs von E-Autos an Privatpersonen gestoppt. Unter der Ampel wurde unter den teuren E-Autos die niedrigpreisigeren gefördert. Eine gewisse Förderung soll aber wohl wieder aufgenommen werden. Jetzt als Dienstwagen für Selbständige und Unternehmen. Gefördert wird wohl als Steuerabschreibung, hohes Einkommen, hohe Steuern, hohe Abschreibung. Der Maximalpreis eines Fahrzeugs, das von den Steuern abgesetzt werden kann, wird wohl auf 100.000 Euro erhöht.
Spielverderber I
Die chinesische Regierung hat den Maximalpreis für Autos, ab dem Luxussteuern bezahlt werden muss, in diesem Sommer um 30 % auf unter 110.000 Euro gesenkt. Noch viel zu hoch, aber ein erster Schritt.
[https://www.reuters.com/markets/emerging/china-lower-price-threshold-collecting-consumption-taxes-luxury-cars-2025-07-17/]
Spielverderber II
Ein Vorschlag: Schnell progressiv steigende Steuer auf Erwerb und Nutzung eines Autos, das größer ist und/oder mehr wiegt als ein Golf aus dem Jahr 2000.
Auflage an die Autoindustrie, mindestens 50 % Autos zu bauen, die ein Durchschnittsverdiener sich leisten kann.
Massive Investition in den ÖPNV, d.h. Bus- und Bahn.
Tempolimit auf allen Autobahnen bei 100 km/h.