Auszüge aus

Karl Marx: Das Kapital

Kritik der politischen Ökonomie

Zweiter Band:  Der Zirkulationsprozeß des Kapitals

Nach der zweiten, von Friedrich Engels herausgegebenen Auflage, Hamburg 1893(Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 24, S. 7 – 518)
http://mlwerke.de/me/me24/me24_000.htm

II. Die zwei Abteilungen der gesellschaftlichen Produktion (44)

Das Gesamtprodukt, also auch die Gesamtproduktion, der Gesellschaft zerfällt in zwei große Abteilungen:

I. Produktionsmittel, Waren, welche eine Form besitzen, worin sie in die produktive Konsumtion eingehn müssen oder wenigstens eingehn können.

II. Konsumtionsmittel, Waren, welche eine Form besitzen, worin sie in die individuelle Konsumtion der Kapitalisten- und Arbeiterklasse eingehn.

In jeder dieser Abteilungen bilden sämtliche verschiedne ihr angehörige Produktionszweige einen einzigen großen Produktionszweig, die einen den der Produktionsmittel, die andern den der Konsumtionsmittel. Das in jedem der beiden Produktionszweige angewandte gesamte Kapital bildet eine besondre große Abteilung des gesellschaftlichen Kapitals.

<395> In jeder Abteilung zerfällt das Kapital in zwei Bestandteile:

1. Variables Kapital. Dies, dem Wert nach betrachtet, ist gleich dem Wert der in diesem Produktionszweig angewandten gesellschaftlichen Arbeitskraft, also gleich der Summe der dafür gezahlten Arbeitslöhne. Dem Stoff nach betrachtet, besteht es aus der sich betätigenden Arbeitskraft selbst, d.h. aus der von diesem Kapitalwert in Bewegung gesetzten lebendigen Arbeit.

2. Konstantes Kapital, d.h. den Wert aller zur Produktion in diesem Zweig angewandten Produktionsmittel. Diese zerfallen ihrerseits wieder in fixes Kapital: Maschinen, Arbeitswerkzeuge, Baulichkeiten, Arbeitsvieh etc.; und in zirkulierendes konstantes Kapital: Produktionsmaterialien, wie Roh- und Hilfsstoffe, Halbfabrikate etc.

Der Wert des mit Hilfe dieses Kapitals in jeder der beiden Abteilungen erzeugten gesamten Jahresprodukts zerfällt in einen Wertteil, der das in der Produktion aufgezehrte und seinem Wert nach auf das Produkt nur übertragne konstante Kapital c darstellt, und in den durch die gesamte Jahresarbeit zugesetzten Wertteil. Dieser letztre zerfällt wieder in den Ersatz des vorgeschoßnen variablen Kapitals v und in den Überschuß darüber, der den Mehrwert m bildet. Wie der Wert jeder einzelnen Ware, so zerfällt also auch der des gesamten Jahresprodukts jeder Abteilung in c + v + m.

Der Wertteil c, der das in der Produktion verzehrte konstante Kapital darstellt, deckt sich nicht mit dem Wert des in der Produktion angewandten konstanten Kapitals. Die Produktionsstoffe sind zwar ganz verzehrt, und ihr Wert ist daher ganz auf das Produkt übertragen. Aber nur ein Teil des angewandten fixen Kapitals ist ganz verzehrt, sein Wert daher auf das Produkt übergegangen. Ein andrer Teil des fixen Kapitals, Maschinen, Gebäude etc., existiert und fungiert fort, nach wie vor, wenn auch mit durch den Jahresverschleiß vermindertem Wert. Dieser fortfungierende Teil des fixen Kapitals existiert nicht für uns, wenn wir den Produktenwert betrachten. Er bildet einen, von diesem neuproduzierten Warenwert unabhängigen, neben ihm vorhandnen Teil des Kapitalwerts. Dies zeigte sich bereits bei Betrachtung des Produktenwerts eines Einzelkapitals (Buch I, Kap. VI, S. 192 <Siehe Band 23, S. 217/218>). Hier müssen wir jedoch vorläufig von der dort angewandten Betrachtungsweise abstrahieren. Wir sahen bei Betrachtung des Produktenwerts des Einzelkapitals, daß der dem fixen Kapital durch Verschleiß entzogne Wert sich auf das während der Verschleißzeit erzeugte Warenprodukt überträgt, einerlei ob ein Teil dieses fixen Kapitals während dieser Zeit in <396> natura aus diesem übertragnen Wert ersetzt wird oder nicht. Dagegen sind wir hier, bei Betrachtung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts und seines Werts, genötigt, wenigstens vorläufig von dem durch Verschleiß von fixem Kapital während des Jahrs auf das Jahresprodukt übertragnem Wertteil zu abstrahieren, soweit dies fixe Kapital nicht während des Jahrs auch wieder in natura ersetzt worden ist. In einem spätem Abschnitt dieses Kapitels werden wir dann diesen Punkt getrennt erörtern

__________

Für unsre Untersuchung der einfachen Reproduktion wollen wir folgendes Schema zugrunde legen, worin c = konstantes Kapital, v = variables Kapital, m = Mehrwert ist und das Verwertungsverhältnis m/v zu 100% angenommen wird. Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.

I.

Produktion von Produktionsmitteln:

 

Kapital

4.000c + 1.000v = 5.000.

 

Warenprodukt

4.000c + 1.000v + 1.000m = 6.000,

existierend in Produktionsmitteln.

II.

Produktion von Konsumtionsmitteln:

 

Kapital

2.000c + 500v = 2.500.

 

Warenprodukt

2.000c + 500v + 500m = 3.000,

existierend in Konsumtionsmitteln.

Rekapituliert, jährliches Gesamtwarenprodukt:

I.

4.000c +

1.000v +

1.000m = 6.000

Produktionsmittel.

II.

2.000c +

500v +

500m = 3.000

Komsumtionsmittel.

Gesamtwert = 9.000, wovon das in seiner Naturalform fortfungierende fixe Kapital nach der Voraussetzung ausgeschlossen ist.

Wenn wir nun die auf Grundlage einfacher Reproduktion, wo also der ganze Mehrwert unproduktiv konsumiert wird, notwendigen Umsätze untersuchen und dabei zunächst die sie vermittelnde Geldzirkulation unbeachtet lassen, so ergeben sich uns von vornherein drei große Anhaltspunkte.

1. Die 500v, Arbeitslohn der Arbeiter, und die 500m, Mehrwert der Kapitalisten der Abteilung II, müssen in Konsumtionsmitteln, verausgabt werden. Aber ihr Wert existiert in den Konsumtionsmitteln zum Wert von 1.000, die in den Händen der Kapitalisten, Abteilung II, die vorgeschoßnen 500 ersetzen und die 500m repräsentieren. Arbeitslohn und Mehrwert der <397> Abteilung II werden also innerhalb Abteilung II gegen Produkt von II umgesetzt. Damit verschwinden aus dem Gesamtprodukt (500v + 500m) II = 1.000 in Konsumtionsmitteln.

2. Die 1.000v + 1.000m der Abteilung I müssen ebenfalls in Konsumtionsmitteln verausgabt werden, also in Produkt von Abteilung II. Sie müssen sich also austauschen gegen den von diesem Produkt noch übrigen, dem Belauf nach gleichen, konstanten Kapitalteil 2.000c. Dafür erhält Abteilung II einen gleichen Betrag von Produktionsmitteln, Produkt von I, worin der Wert der 1.000v + 1.000m von I verkörpert. Damit verschwinden aus der Rechnung 2.000 IIc und (1.000v + 1.000m) I.

3. Es bleiben noch 4.000 Ic. Diese bestehn in Produktionsmitteln, die nur in Abteilung I vernutzt werden können, zum Ersatz ihres verzehrten konstanten Kapitals dienen, und daher durch gegenseitigen Austausch zwischen den einzelnen Kapitalisten von I ebenso ihre Erledigung finden, wie die (500v + 500m) II durch Austausch zwischen den Arbeitern und Kapitalisten, resp. zwischen den einzelnen Kapitalisten von II.

 

 

1. Erstes Beispiel

A) Schema einfacher Reproduktion

I.

4.000c +

1.000v +

1.000m =

6.000

} Summa = 9.000

II.

2.000c +

500v +

500m =

3.000

B) Ausgangsschema für Reproduktion* auf erweiterter Stufenleiter

<* 1. und 2. Auflage: Akkumulation>

I.

4.000c +

1.000v +

1.000m =

6.000

} Summa = 9.000

II.

1.500c +

750v +

750m =

3.000

Angenommen, daß in Schema B die Hälfte des Mehrwerts von I akkumuliert wird, also 500, so erhalten wir zunächst (1.000v + 500m) I oder 1.500 I(v+m) zu ersetzen durch 1.500 IIc; es bleibt dann in I: 4.000c + 500m, welche letztre zu akkumulieren. Die Ersetzung von (1.000v + 500m) I durch 1.500 IIc ist ein Prozeß der einfachen Reproduktion und schon bei letztrer erläutert.

Nehmen wir an, daß von den 500 Im 400 in konstantes Kapital zu verwandeln, 100 in variables. Der Umsatz innerhalb I der 400m, die so kapi- <506> talisiert werden sollen, ist bereits erörtert; sie können also ohne weitres annexiert werden an Ic, und wir erhalten dann für I:

4.400c + 1.000v + 100m (die in 100v umzusetzen sind).

Seinerseits kauft II zum Zweck der Akkumulation von I die 100 Im (in Produktionsmitteln existierend), die nun zuschüssiges konstantes Kapital von II bilden, während die 100 Geld, die es dafür zahlt, in Geldform des zuschüssigen variablen Kapitals von I verwandelt werden. Wir haben dann für I ein Kapital von 4.400c + 1.100v (die letztren in Geld) =5.500.

II hat jetzt für konstantes Kapital 1.600c; es muß zu deren Bearbeitung weitre 50v in Geld für Ankauf neuer Arbeitskraft zuschießen, so daß sein variables Kapital von 750 auf 800 wächst. Diese Ausdehnung des konstanten wie variablen Kapitals von II um zusammen 150 wird bestritten aus seinem Mehrwert; von den 750 IIm bleiben also nur 600m als Konsumtionsfonds der Kapitalisten II, deren Jahresprodukt sich nun verteilt wie folgt:

II. 1.600c + 800v + 600m (Konsumtionsfonds) = 3.000.

Die in Konsumtionsmitteln produzierten 150m, die hier in (100c + 50v) II umgesetzt, gehn in ihrer Naturalform ganz in die Konsumtion der Arbeiter ein: 100 werden verzehrt von den Arbeitern I (100 Iv) und 50 von den Arbeitern II (50 IIv), wie oben auseinandergesetzt. In der Tat muß in II, wo sein Gesamtprodukt in einer für die Akkumulation nötigen Form zubereitet wird, ein um 100 größrer Teil des Mehrwerts in Form von notwendigen Konsumtionsmitteln reproduziert werden. Beginnt wirklich die Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter, so fließen die 100 variables Geldkapital von I durch die Hände seiner Arbeiterklasse zurück an II; welches dagegen 100m in Warenvorrat an I überträgt und zugleich 50 in Warenvorrat an seine eigne Arbeiterklasse.

Das zum Zweck der Akkumulation veränderte Arrangement steht nun wie folgt:

I.

4.400c +

1.100v +

500 Konsumtionsfonds =

6.000

 

II.

1.600c +

800v +

600 Konsumtionsfonds =

3.000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Summa

9.000

wie oben.

Davon sind Kapital:

I.

4.400c +

1.100v (Geld) =

5.500

} = 7.900

II.

1.600c +

800v (Geld) =

2.400

während die Produktion begann mit:

I.

4.000c +

1.000v =

5.000

} = 7.250

II.

1.500c +

750v =

2.250

<507> Geht die wirkliche Akkumulation nun auf dieser Basis vor sich, d.h., wird mit diesem vermehrten Kapital nun wirklich produziert, so erhalten wir am Ende des nächsten Jahres:

I.

4.400c +

1.100v +

1.100m =

6.600

} = 9.800

 

 

 

 

 

 

Auszüge aus

Rosa Luxemburg

Die Akkumulation des Kapitals

Ein Beitrag
zur ökonomischen Erklärung des Imperialismus

Berlin 1913.
Verlag: Buchhandlung Vorwärts Paul Singer G. m. b. H.

Gesamtfassung unter: http://www.mlwerke.de/lu/lu05/lu05_005.htm

 

(die blauen Zahlen im Text referieren auf Fußnoten, die schwarzen Zahlen auf die Seiten in der Originalfassung)

……

Es folgt also, daß - bloß dem Wertumfang nach betrachtet - innerhalb der einfachen Reproduktion das materielle Substrat der erweiterten Reproduktion produziert wird. Es ist einfach direkt in Produktion von Produktionsmitteln, in Schöpfung von virtuellem zuschüssigem Kapital I verausgabte Mehrarbeit der Arbeiterklasse I. Die Bildung von virtuellem zusätzlichem Geldkapital seitens A, A', A'' (I) - durch sukzessiven Verkauf ihres Mehrprodukts, das ohne alle kapitalistische Geldausgabe gebildet - ist also hier die bloße Geldform von zuschüssig produzierten Produktionsmitteln I."(4)

Hier scheint sich die Schwierigkeit unter unseren Händen in Dunst aufgelöst zu haben. Die Akkumulation erfordert gar keine neuen Geldquellen: Früher verzehrten die Kapitalisten ihren Mehrwert selbst, mußten also einen entsprechenden Geldvorrat in den Händen haben, denn wir wissen schon aus der Analyse der einfachen Reproduktion, daß die Kapitalistenklasse selbst das Geld in die Zirkulation werfen muß, das zur Realisierung ihres Mehrwerts erforderlich ist. Nun kauft die Kapitalistenklasse für einen Teil dieses Geldvorrats (nämlich B, B', B'' usw.) statt Konsumtionsmittel zum gleichen Wertbetrage neue, zuschüssige Produktionsmittel, um ihre Produktion zu erweitern. Dadurch sammelt sich Geld im gleichen Betrage in den Händen des anderen Teils der Kapitalisten (nämlich der A, A', A'' usw.). "Diese Schatzbildung ... unterstellt in keiner Weise zusätzlichen Edelmetallreichtum, sondern nur veränderte Funktion von bisher umlaufendem Geld. Eben fungierte es als Zirkulationsmittel, jetzt fungiert es als Schatz, als sich bildendes, virtuell neues Geldkapital."

So wären wir aus der Schwierigkeit heraus. Allein, es ist unschwer herauszufinden, welcher Umstand uns hier die Lösung leicht gemacht hat: Marx faßt hier die Akkumulation bei ihrer ersten Regung, in statu nascendi, wo sie gerade aus der einfachen Reproduktion als Knospe her- <114> vorsprießt. Dem Wertumfang nach ist die Produktion hier noch nicht erweitert, nur ihr Arrangement und ihre sachlichen Elemente sind anders geordnet. Und da ist es kein Wunder, daß dann auch die Geldquellen als ausreichend erscheinen. Die Lösung, die wir gefunden, hält aber auch nur einen Moment lang an: nur für den Übergang von der einfachen zur erweiterten Reproduktion, d.h. gerade für einen nur theoretisch gedachten, für die Wirklichkeit gar nicht in Betracht kommenden Fall. Ist aber die Akkumulation schon längst eingebürgert und wirft jede Produktionsperiode eine größere Wertmasse auf den Markt als die frühere, dann fragt es sich: Wo sind die Käufer für diese zuschüssigen Werte? Die Lösung, die wir gefunden, läßt uns da vollkommen im Stich. Außerdem ist sie auch selbst nur scheinbar. Bei näherem Zusehen schlägt sie uns gerade in demselben Augenblick, wo sie uns anscheinend aus der Patsche geholfen hat. Wenn wir nämlich die Akkumulation gerade in dem Moment fassen, wo sie auf dem Sprung ist, aus dem Schoße der einfachen Reproduktion hervorzugehen, so ist ihre erste Voraussetzung eine Verminderung in der Konsumtion der Kapitalistenklasse. Im selben Moment, wo wir die Möglichkeit finden, mit den früheren Zirkulationsmitteln eine Erweiterung der Produktion vorzunehmen, verlieren wir im gleichen Maße alte Konsumenten. Für wen soll denn da die Erweiterung der Produktion vorgenommen werden, d.h., wer kauft morgen von den B, B', B'' (I) die vergrößerte Produktenmenge, die sie dadurch hergestellt haben, daß sie sich das Geld "vom Munde absparten", um damit den A, A', A'' (I) neue Produktionsmittel abzukaufen?

 

 

Die kapitalistische Schatzbildung kann uns also aus der Schwierigkeit nicht heraushelfen. Und das war vorauszusehen, denn die Fragestellung selbst ist hier eine schiefe. Es handelt sich bei dem Problem der Akkumulation nicht darum: Wo kommt das Geld her?, sondern darum: Wo <116> kommt die Nachfrage für das zuschüssige Produkt her, das aus dem kapitalisierten Mehrwert entspringt? Es ist nicht eine technische Frage der Geldzirkulation, sondern eine ökonomische Frage der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals. Denn sogar, wenn wir von der Frage absehen, mit der sich Marx bis jetzt allein befaßt hat: Wo hatten die B, B' usw. (I) Geld her, um zuschüssige Produktionsmittel von den A, A' usw. (I) zu kaufen?, so ersteht nach der vollzogenen Akkumulation die viel wichtigere Frage: An wen wollen denn die B, B' usw. (I) ihr gewachsenes Mehrprodukt jetzt verkaufen? Marx läßt sie schließlich ihre Produkte aneinander verkaufen!

 

 

Hier werden für die Akkumulation folgende Bedingungen aufgestellt:

1. Der Mehrwert, der kapitalisiert werden soll, kommt von vornherein in der Naturalgestalt des Kapitals (als zuschüssige Produktionsmittel und zuschüssige Lebensmittel der Arbeiter) zur Welt.

2. Die Erweiterung der kapitalistischen Produktion wird vollzogen ausschließlich mit eigenen (kapitalistisch produzierten) Produktionsmitteln und Lebensmitteln.

3. Der Umfang der jeweiligen Produktionserweiterung (Akkumulation) ist von vornherein durch den Umfang des jedesmaligen zu kapitalisierenden) Mehrwerts gegeben; sie kann nicht größer sein, da sie an die Menge Produktions- und Lebensmittel gebunden ist, die das Mehrprodukt darstellen, sie kann aber auch nicht geringer sein, da sonst ein Teil des Mehrprodukts in seiner Naturalgestalt unverwendbar wäre. Diese Abweichungen nach oben und nach unten mögen periodische Schwankungen und Krisen hervorrufen, von denen wir hier abzusehen haben; im Durchschnitt müssen sich zu kapitalisierendes Mehrprodukt und faktische Akkumulation decken.

4. Da die kapitalistische Produktion selbst ausschließliche Abnehmerin ihres Mehrprodukts ist, so ist für die Kapitalakkumulation keine Schranke zu finden.

Diesen Bedingungen entspricht auch das Marxsche Schema der erweiterten Reproduktion. Hier geht die Akkumulation vonstatten, ohne daß im geringsten ersichtlich wäre, für wen, für welche neuen Konsumenten schließlich die Produktion immer mehr erweitert wird. Das Schema setzt etwa folgenden Gang voraus: Die Kohlenindustrie wird erweitert, um die Eisenindustrie zu erweitern. Diese wird erweitert, um die Maschinenindustrie zu erweitern. Diese wird erweitert, um die Produktion der Konsumtionsmittel zu erweitern. Diese wird ihrerseits erweitert, um die wachsende Armee der Kohlen-, Eisen- und Maschinenarbeiter sowie der eigenen Arbeiter zu erhalten. Und so "ad infinitum" im Kreise - nach der Theorie <281> Tugan-Baranowskis. Daß das Marxsche Schema, allein betrachtet, in der Tat eine solche Auslegung zuläßt, beweist der bloße Umstand, daß Marx nach seinen eigenen wiederholten und ausdrücklichen Feststellungen überhaupt unternimmt, den Akkumulationsprozeß des Gesamtkapitals in einer Gesellschaft darzustellen, die lediglich aus Kapitalisten und Arbeitern besteht. Die Stellen, die darauf Bezug nehmen, finden sich in jedem Bande des "Kapitals".

 

 

Prüft man das Schema der erweiterten Reproduktion gerade vom Standpunkte der Marxschen Theorie, so muß man finden, daß es sich mit ihr in mehreren Hinsichten im Widerspruch befindet.

Vor allem berücksichtigt das Schema die fortschreitende Produktivität der Arbeit gar nicht. Es setzt nämlich von Jahr zu Jahr trotz der Akkumulation dieselbe Zusammensetzung des Kapitals, d.h. dieselbe technische Grundlage des Produktionsprozesses voraus. Dieses Verfahren ist an sich, behufs Vereinfachung der Analyse, vollkommen zulässig. Das Absehen von den Verschiebungen der Technik, die dem Prozeß der Kapitalakkumulation parallel laufen und von ihm unzertrennlich sind, muß jedoch wenigstens hinterher in Betracht gezogen, angerechnet werden, wo man die konkreten Bedingungen der Realisierung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts und der Reproduktion untersucht. Zieht man aber die Fortschritte der Produktivität der Arbeit in Betracht, dann folgt daraus, daß die sachliche Masse des gesellschaftlichen Produkts - Produktionsmitte wie Konsumtionsmittel - noch viel rascher wächst als seine Wertmasse, wie das Schema anzeigt. Die andere Seite dieses Anwachsens der Masse der Gebrauchswerte ist aber auch eine Verschiebung der Wertverhältnisse. Nach der zwingenden Beweisführung Marxens, die einen der Ecksteine der Theorie bildet, äußert sich die fortschreitende Entwicklung der Produktivität der Arbeit darin, daß bei zunehmender Kapital- <286> akkumulation die Zusammensetzung des Kapitals sowie die Mehrwertrate nicht konstant bleiben können, wie dies in dem Marxschen Schema unterstellt wird. Im Gegenteil, mit dem Fortgang der Akkumulation muß das c (konstantes Kapital) in beiden Abteilungen nicht bloß absolut, sondern auch relativ zu v + m oder dem gesamten geschaffenen Neuwert wachsen (gesellschaftlicher Ausdruck der Produktivität der Arbeit); gleichzeitig muß das konstante Kapital im Verhältnis zum variablen Kapital und ebenso der Mehrwert im Verhältnis zum variablen Kapital oder die Mehrwertrate wachsen (kapitalistischer Ausdruck der Produktivität der Arbeit).

 

 

Diese Resultate sind kein Zufall. Was durch unsere obigen Versuche mit dem Marxschen Schema lediglich illustriert werden sollte, ist folgendes. Die fortschreitende Technik muß sich nach Marx selbst in dem relativen Wachstum des konstanten Kapitals im Vergleich mit dem variablen äußern. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer fortschreitenden Verschiebung in der Einteilung des kapitalisierten Mehrwerts zwischen c und v. Die Kapitalisten des Marxschen Schemas sind aber gar nicht in der Lage, diese Einteilung beliebig vorzunehmen, denn sie sind bei ihrem Geschäft der Kapitalisierung von vornherein an die Sachgestalt ihres Mehrwerts gebunden. Da nach der Marxschen Annahme die ganze Produktionserweiterung ausschließlich mit den eigenen kapitalistisch hergestellten Produktions- und Konsumtionsmitteln vorgenommen wird - andere Produktionsstätten und -formen existieren hier ebensowenig wie andere Konsumenten als die Kapitalisten und Arbeiter der beiden Abteilungen - und da andererseits Voraussetzung des glatten Fortganges der Akkumulation ist, daß das Gesamtprodukt der beiden Abteilungen in der Zirkulation restlos draufgeht, so ergibt sich das folgende Resultat: Die technische Gestaltung der erweiterten Reproduktion ist hier den Kapitalisten im voraus streng vorgeschrieben durch die Sachgestalt des Mehrprodukts. Mit anderen Worten: Die Erweiterung der Produktion kann und muß bei dem Marxschen Schema jeweilig nur auf einer solchen technischen Grundlage vorgenommen werden, bei der der ganze hergestellte Mehrwert der Abteilung I wie der Abteilung II Verwendung findet, wobei noch im Auge behalten werden muß, daß die beiden Abteilungen zu ihren respektiven Produktionselementen nur durch gegenseitigen Austausch gelangen können. Auf diese Weise ist die jeweilige Verteilung des zu kapitalisierenden Mehrwerts zwischen dem konstanten und variablen Kapital sowie die Verteilung der zuschüssigen Produktionsmittel und Konsumtionsmittel (der Arbeiter) zwischen den Abteilungen I und II im voraus bestimmt und gegeben durch die Sach- und Wertbeziehungen der beiden Abteilungen des Schemas. Diese Sach- und Wertbeziehungen drücken aber selbst schon eine ganz bestimmte technische Gestaltung der Produktion aus. Damit ist gesagt, daß bei Fortsetzung der Akkumulation unter den Voraussetzungen des Marxschen Schemas die jeweilig gegebene Technik der Produktion im voraus auch schon die Technik der folgenden Perioden der <290> erweiterten Reproduktion bestimmt. Das heißt, wenn wir mit dem Marxschen Schema annehmen, daß die kapitalistische Produktionserweiterung stets nur mit dem im voraus in Kapitalgestalt produzierten Mehrwert vorgenommen wird, ferner - was indes nur die andere Seite derselben Annahme ist -, daß die Akkumulation der einen Abteilung der kapitalistischen Produktion in strengster Abhängigkeit von der Akkumulation der anderen Abteilung fortschreiten kann, dann ergibt sich, daß eine Verschiebung in der technischen Grundlage der Produktion (sofern sie sich im Verhältnis von c zu v ausdrückt) unmöglich ist.

Dasselbe läßt sich auch noch anders fassen. Es ist klar, daß die fortschreitend höhere organische Zusammensetzung des Kapitals, d.h. das raschere Wachstum des konstanten Kapitals im Vergleich zum variablen, ihren sachlichen Ausdruck im rascheren Wachstum der Produktion von Produktionsmitteln (Abteilung I) im Vergleich zur Produktion von Konsumtionsmitteln (Abteilung II) finden muß. Eine solche Abweichung im Akkumulationstempo der beiden Abteilungen ist aber durch das Marxsche Schema, das auf ihrer strengen Gleichmäßigkeit beruht, direkt ausgeschlossen. An sich steht nichts der Annahme im Wege, daß mit dem Fortschritt der Akkumulation und ihrer technischen Basis von der Gesellschaft fortlaufend eine größere Portion des zu kapitalisierenden Mehrwerts in der Abteilung der Produktionsmittel statt in derjenigen der Konsumtionsmittel angelegt wird. Da die beiden Abteilungen der Produktion nur Zweige derselben gesellschaftlichen Gesamtproduktion oder, wenn man will, Teilbetriebe des Gesamtkapitalisten darstellen, so ist gegen die Annahme einer solchen fortschreitenden Übertragung eines Teils des akkumulierten Mehrwerts - den technischen Erfordernissen gemäß - aus der einen Abteilung in die andere nichts einzuwenden, sie entspricht auch der tatsächlichen Praxis des Kapitals. Allein diese Annahme ist nur so lange möglich, wie wir den zur Kapitalisierung bestimmten Mehrwert als Wertgröße ins Auge fassen. Durch das Marxsche Schema und seine Zusammenhänge jedoch ist dieser Teil des Mehrwerts an eine bestimmte Sachgestalt gebunden, die direkt zur Kapitalisierung bestimmt ist. So stellt sich der Mehrwert der Abteilung II in Konsumtionsmitteln dar. Und da diese nur durch die Abteilung I realisiert werden können, so scheitert die beabsichtigte Übertragung eines Teils des kapitalisierten Mehrwerts aus der Abteilung II in de Abteilung I erstens an der Sachgestalt dieses Mehrwerts, mit der die Abteilung I offenbar nichts anfangen kann, zweitens aber an den Austauschverhältnissen zwischen beiden Abteilungen, die es mit sich bringen, daß der Übertragung eines Teiles des Mehrwerts in Pro- <291> dukten II in die erste Abteilung eine gleichwertige Übertragung von Produkten I in die zweite Abteilung entsprechen muß. Das raschere Wachstum der Abteilung I im Vergleich zur Abteilung II ist somit innerhalb der Zusammenhänge des Marxschen Schemas schlechterdings nicht zu erreichen.

Wie wir also immer die technische Verschiebung der Produktionsweise im Fortgang der Akkumulation ins Auge fassen, sie kann sich nicht durchsetzen, ohne die grundlegenden Beziehungen des Marxschen Schemas aus den Fugen zu bringen.

 

 

In Wirklichkeit sind die realen Bedingungen bei der Akkumulation des Gesamtkapitals ganz andere als bei dem Einzelkapital und als bei der einfachen Reproduktion. Das Problem beruht auf folgendem: Wie gestaltet sich die gesellschaftliche Reproduktion unter der Bedingung, daß ein wachsender Teil des Mehrwerts nicht von den Kapitalisten konsumiert, sondern zur Erweiterung der Produktion verwendet wird? Das Draufgehen des gesellschaftlichen Produkts, abgesehen von dem Ersatz des konstanten Kapitals, in der Konsumtion der Arbeiter und Kapitalisten ist hier von vornherein ausgeschlossen, und dieser Umstand ist das wesentlichste Moment des Problems. Damit ist aber auch ausgeschlossen, daß die Arbeiter und die Kapitalisten selbst das Gesamtprodukt realisieren können. Sie können stets nur das variable Kapital, den verbrauchten Teil des konstanten Kapitals und den konsumierten Teil des Mehrwerts selbst realisieren, auf diese Weise aber nur die Bedingungen für die Erneuerung der Produktion in früherem Umfang sichern. Der zu kapitalisierende Teil des Mehrwerts hingegen kann unmöglich von den Arbeitern und Kapitalisten selbst realisiert werden. Die Realisierung des Mehrwerts zu Zwecken der Akkumulation ist also in einer Gesellschaft, die nur aus Arbeitern und Kapitalisten besteht, eine unlösbare Aufgabe.

 

 

Wir haben bis jetzt die erweiterte Reproduktion nur von einer Seite betrachtet, nämlich von der Frage aus: Wie wird der Mehrwert realisiert? Dies war die Schwierigkeit, mit der sich die Skeptiker bis jetzt ausschließlich beschäftigten. Die Realisierung des Mehrwerts ist in der Tat die Lebensfrage der kapitalistischen Akkumulation. Sehen wir der Einfachheit halber ganz von dem Konsumtionsfonds der Kapitalisten ab, so erfordert die Realisierung des Mehrwerts als erste Bedingung einen Kreis von Abnehmern außerhalb der kapitalistischen Gesellschaft. Wir sagen: von Abnehmern und nicht: von Konsumenten. Denn die Realisierung des Mehrwerts besagt von vornherein gar nichts über die Sachgestalt des Mehrwerts. Das Entscheidende ist, daß der Mehrwert weder durch Arbeiter noch durch Kapitalisten realisiert werden kann, sondern durch Gesellschaftsschichten oder Gesellschaften, die selbst nicht kapitalistisch produzieren. Es sind dabei zwei verschiedene Fälle denkbar. Die kapitalistische Produktion liefert Konsumtionsmittel über den eigenen (der Arbeiter und <301> Kapitalisten) Bedarf hinaus, deren Abnehmer nichtkapitalistische Schichten und Länder sind. Z.B. die englische Baumwollindustrie lieferte während der ersten zwei Drittel des 19. Jahrhunderts (und liefert zum Teil jetzt) Baumwollstoffe an das Bauerntum und städtische Kleinbürgertum auf dem europäischen Kontinent, ferner an das Bauerntum in Indien, Amerika, Afrika usw. Hier war es die Konsumtion nichtkapitalistischer Schichten und Länder, die für die enorme Erweiterung der Baumwollindustrie in England die Basis bildete.(3) Für diese Baumwollindustrie aber entwickelte sich in England selbst eine ausgedehnte Maschinenindustrie, die Spindeln und Webstühle lieferte, ferner im Anschluß daran die Metall und Kohlenindustrie usw. In diesem Fall realisierte die Abteilung II (Konsumtionsmittel) in steigendem Maße ihre Produkte in außerkapitalistischen Gesellschaftsschichten, wobei sie ihrerseits durch die eigene Akkumulation eine steigende Nachfrage nach den einheimischen Produkten der Abteilung I (Produktionsmittel) schuf und dadurch dieser Abteilung zur Realisierung des Mehrwerts und zur steigenden Akkumulation verhalf.

Nehmen wir den umgekehrten Fall. Die kapitalistische Produktion liefert Produktionsmittel über den eigenen Bedarf hinaus und findet Abnehmer in nichtkapitalistischen Ländern. Z.B. die englische Industrie lieferte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Konstruktionsmaterial zum Eisenbahnbau in den amerikanischen und australischen Staaten. Der Eisenbahnbau bedeutet an sich noch lange nicht die Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise in einem Lande. Tatsächlich waren die Eisenbahnen selbst in diesen Fällen nur eine der ersten Voraussetzungen für den Einzug der kapitalistischen Produktion. Oder die deutsche chemische Industrie liefert Produktionsmittel, wie Farbstoffe, die massenhaft Absatz finden in nicht kapitalistisch produzierenden Ländern in Asien, <302> Afrika usw.(4) Hier realisiert die Abteilung I der kapitalistischen Produktion ihre Produkte in außerkapitalistischen Kreisen. Die daraus entstehende fortschreitende Erweiterung der Abteilung I ruft im Lande der kapitalistischen Produktion eine entsprechende Erweiterung der Abteilung II hervor, die für die wachsende Armee der Arbeiter der Abteilung I Konsumtionsmittel liefert.

Jeder dieser Fälle unterscheidet sich von dem Marxschen Schema. In dem einen Fall übersteigt das Produkt der Abteilung II die Bedürfnisse der beiden Abteilungen, gemessen an variablem Kapital und dem konsumierten Teil des Mehrwerts beider; im zweiten Fall übersteigt das Produkt der Abteilung I die Größe des konstanten Kapitals beider Abteilungen, auch unter Berücksichtigung seiner Vergrößerung zu Zwecken der Erweiterung der Produktion. In beiden Fällen kommt der Mehrwert nicht in der Naturalgestalt zur Welt, die seine Kapitalisierung innerhalb einer der beiden Abteilungen ermöglichen und bedingen würde. - In Wirklichkeit kreuzen sich die beiden typischen Fälle auf jedem Schritte, ergänzen einander und schlagen ineinander um.

 

 

Plötzliche Inangriffnahme neuer Rohstoffgebiete in unumschränktem Maße, sowohl um allen eventuellen Wechselfällen und Unterbrechungen in der Zufuhr der Rohstoffe aus alten Quellen wie allen plötzlichen Erweiterungen des gesellschaftlichen Bedarfs gewachsen zu sein, ist eine der unumgänglichsten Vorbedingungen des Akkumulationsprozesses in seiner Elastizität und Sprunghaftigkeit. Als der Sezessionskrieg die Zufuhr der amerikanischen Baumwolle nach England unterbrochen und im Distrikte Lancashire den berühmten "Baumwollhunger" hervorgerufen hatte, entstanden wie durch Zauber in kürzester Zeit neue gewaltige Baumwollplantagen in Ägypten. Hier war es die orientalische Despotie, verbunden mit dem uralten Fronverhältnis, die dem europäischen Kapital das Wirkungsgebiet geschaffen hatte. Nur das Kapital mit seinen technischen Mitteln vermag solche wunderbaren Umwälzungen in so kurzer Frist hervorzuzaubern. Aber nur auf vorkapitalistischem Boden primitiverer sozialer Verhältnisse vermag es solche Kommandogewalt über sachliche und menschliche Produktivkräfte zu entfalten, die zu jenen Wundern gehören. Ein anderes Beispiel dieser Art ist die enorme Steigerung des Weltverbrauchs an Kautschuk, der gegenwärtig einer regelmäßigen Lieferung von Rohgummi im Werte von einer Milliarde Mark jährlich gleichkommt. Die wirtschaftliche Basis dieser Rohstofferzeugung sind die vom europäischen Kapital praktizierten primitiven Ausbeutungssysteme in den afrikanischen <308> Kolonien sowie in Amerika, die verschiedene Kombinationen von Sklaverei und Fronverhältnis darstellen.(6)

 

 

Sowenig die kapitalistische Produktion sich auf die Naturschätze und Produktivkräfte der gemäßigten Zone beschränken kann, vielmehr zu ihrer Entfaltung der Verfügungsmöglichkeit über alle Erdstriche und Klimate bedarf, sowenig kann sie mit der Arbeitskraft der weißen Rasse allein auskommen. Das Kapital braucht zur Nutzbarmachung von Erdstrichen, in denen die weiße Rasse arbeitsunfähig ist, andere Rassen, es braucht überhaupt die unumschränkte Verfügungsmöglichkeit über alle Arbeitskräfte des Erdrunds, um mit ihnen alle Produktivkräfte der Erde - soweit dies in den Schranken der Mehrwertproduktion möglich - mobil zu machen. Diese Arbeitskräfte findet es aber meist in festen Banden überkommener vorkapitalistischer Produktionsverhältnisse, aus denen sie erst "befreit" <312> werden müssen, um in die tätige Armee des Kapitals enrolliert zu werden. Der Prozeß der Ausscheidung der Arbeitskräfte aus primitiven sozialen Verhältnissen und ihr Aufsaugen durch das kapitalistische Lohnsystem ist eine der unumgänglichen historischen Grundlagen des Kapitalismus. Die englische Baumwollindustrie als erster echt kapitalistischer Produktionszweig wäre unmöglich nicht bloß ohne die Baumwolle der Südstaaten der nordamerikanischen Union, sondern auch ohne die Millionen Afrikaneger, die nach Amerika verpflanzt wurden, um die Arbeitskräfte für die Plantagen zu liefern, und nach dem Sezessionskriege als freies Proletariat der kapitalistischen Lohnarbeiterklasse zugewachsen sind.(8) Die Wichtigkeit des Bezuges von erforderlichen Arbeitskräften aus nichtkapitalistischen Gesellschaften wird dem Kapital sehr fühlbar in der Form der sogenannten Arbeiterfrage in den Kolonien. Der Lösung dieser Frage dienen alle möglichen Methoden der "sanften Gewalt", um die anderen sozialen Autoritäten und Produktionsbedingungen untergeordneten Arbeitskräfte von diesen loszulösen und dem Kommando des Kapitals zu unterstellen. Aus diesem Bestreben ergeben sich in den Kolonialländern die seltsamsten Mischformen zwischen modernem Lohnsystem und primitiven Herrschaftsverhältnissen.(9) Diese illustrieren handgreiflich die Tat- <313> sache, daß die kapitalistische Produktion ohne Arbeitskräfte aus anderen sozialen Formationen nicht auszukommen vermag.