LiFo 09.11.2014, 11.00 Uhr - Vortrag und Diskussion mit Helmut Rehbock, Oldenburg 

Ort: Donnerschweerstr. 55
Wir bitten darum, den folgenden Text möglichst vor der Veranstaltung zu lesen, er dient als Grundlage für die anschließende Diskussion.

Fordismus als Vorbild der sowjetischen Ökonomie
  

1. Einleitung

Der untergegangene „real existierende Sozialismus“ in der Sowjetunion und ihren „Bruderländern“ präsentierte sich politisch als radikale Kampfansage an die kapitalistische Gesellschaftsordnung und bedrohte so die herrschenden Klassen in den kapitalistischen Ländern. Seine Ökonomie zeigte jedoch in wichtigen Bereichen Gemeinsamkeiten mit den kapitalistischen Wirtschafts­systemen fordistischer Prägung.

Dieser Aufsatz geht von der These aus, dass diese Übereinstimmungen nicht nur oberflächlich waren, sondern dass die Arbeitsorganisation und die Konsumnormen des Fordismus in erheblichem Maße ein Vorbild für die realsozialistischen Wirtschaftssysteme waren.

Zunächst werden die Besonderheiten der fordistische Phase kapitalistischer Entwicklung dargestellt, anschließend wird die Ökonomie des Realsozialis­mus skizziert.
 

2. Merkmale des Fordismus
 

Der Fordismus entstand nach 1900 durch die Überwindung der quasi-hand­werklichen Produktion in den Fabriken, die „in der Montage von Einzelteilen bestand, die in kleinen, höchst personalisierten, externen Werkstätten mit einem sehr großen Grad der Unterschiedlichkeit der Maße der Teile produ­ziert wurden. Dies zwang die Montage-Arbeiter zu einer langwierigen Anpas­sungsarbeit.“ (Revelli S. 54) Henry Ford integrierte in seinen Autofabriken sehr viele bis dahin externe Arbeitsschritte und führte ein verbindliches Eich­system für alle gefertigten Einzelteile ein. Die neuen großen Fabrikgebäude aus Stahlbeton ermöglichten eine optimale Aufstellung der Maschinen. Die Anordnung der Gebäude auf dem Werksgelände und der Einsatz von Schie­nen und Förderbändern stellten einen schnellen und effektiven Materialfluss sicher. „Der gesamte produktive Raum funktioniert hier tatsächlich wie ein riesiges gegliedertes und verzweigtes Fließband ... .“ (Revelli S. 55)

In der ersten industriellen Revolution hatte die Dampfkraft die Nähe zu na­türlichen Energiequellen (vor allem fließende Gewässer) überflüssig gemacht. Jedoch wurde die Energie der Dampfkraft mechanisch auf die verschiedenen Maschinen übertragen, so dass diese nicht optimal im Hinblick auf den Pro­duktionsprozess angeordnet werden konnten. Die zweite industrielle Revo­lution, der Einsatz elektrisch betriebener Maschinen, hob diese Einschränkun­gen auf. Trotzdem blieben räumliche Nähe und mechanische Verknüpfungen wichtige Elemente des fordistischen Produktionsprozesses (Revelli S. 60).

Der Arbeitsprozess war bestimmt „von einer rigiden, vorherbestimmten und unveränderbaren Abfolge formalisierter und spezialisierter Produktionsakte“ (Revelli S. 41). Dem entsprach eine weitgehende Ausrichtung des Verhaltens der Arbeiter auf den Takt der Maschinen und Fließbänder. Monotone Arbeit unter Zeitdruck, ohne eigene Gestaltungsmöglichkeiten, war das Los der vie­len ungelernten oder angelernten Arbeiter. Mit Zeiterfassung und Rationali­sierung versuchte das Management, deren Arbeitskraft maximal auszunutzen. Als Gegenleistung lockten Löhne, die deutlich höher waren als in der Land­wirtschaft oder im Handwerk, und zwar wegen der höheren Produktivität der Fabrikarbeit. So erlaubten die von Ford und seinesgleichen gezahlten Löhne den Arbeitern einen Zugang zu Konsumgütern, die bisher nur einer Minder­heit vorbehalten waren. Dazu gehörten auch die bei Ford produzierten Autos.

In der Mehrzahl der entwickelten kapitalistischen Gesellschaften begann nach dem Ersten Weltkrieg ein „genereller Strukturwandel der Industrie, der sich aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg voll entfalten konnte. Das zentrale Kennzeichen dieser neuen – ‚fordistischen’ – Phase kapitalistischer Entwick­lung lag in einer Wachstumsdynamik, die auf einer historisch neuartigen Verkopplung von Produktion und Konsum beruhte (...). Die erste industrielle Revolution hatte in erster Linie die industrielle Erzeugung von Produktions­mitteln und Vorprodukten bedeutet, während gesellschaftliche Reproduktion weitgehend als Leistung des nicht industriell-kapitalistisch organisierten, ‚tra­ditionellen Sektors’ der Ökonomie (Landwirtschaft, Handwerk, Dienstboten) belassen wurde. Das Neue der Entwicklung nach dem Ersten Weltkrieg be­stand darin, daß sich industrieller Produktion mit der Erzeugung von Kon­sumtionsmitteln ein neues Absatzfeld erschloß und gleichsam eine ‚innere Landnahme’ stattfand (...). Hatte die erste industrielle Revolution die Entste­hung des freien Lohnarbeiters als industriellen Produzenten zum Ergebnis (...), so beruhte die zweite industrielle Revolution auf der massenhaften Ver­breitung von Konsumenten industriell erzeugter Güter.“ (Wittke S. 67)

Auto, Kühlschrank, Waschmaschine, Radio- und Fernsehgeräte wurden zu fordistischen Leitprodukten. Sie revolutionierten die gesellschaftliche Lebens­weise in den Bereichen Mobilität, Reproduktion und Freizeit. Dies war nur möglich auf der Grundlage einer entsprechenden Infrastruktur (u.a. Straßen, Stromnetze und Sendeanstalten), die zu einem großen Teil unter staatlicher Regie geschaffen wurden. Auch staatliche Regelungen und Ausgaben zur Erhaltung der Nachfrage, also der Stimulierung oder Stabilisierung des Konsums, waren nötig geworden.

„Für diese Veränderung gesellschaftlicher Konsum- und Lebensweise stellten neue Formen der institutionellen Sicherung von Massenkaufkraft (gewerk­schaftliche Tarifpolitik; Sozialstaat) und die Stabilisierung der Nachfrage durch staatliche Politiken zweifellos zentrale Voraussetzungen dar“ (Wittke S.69).

Ebenso dynamisch wie die zivilen Märkte entwickelte sich ab Ende des 19. Jahrhundert der Rüstungssektor. Der technische Fortschritt brachte nicht nur leistungsfähigere Gewehre und Kanonen hervor, sondern auch ganz neue Waffensysteme, z.B. Panzer, Flugzeuge und Raketen. Dadurch wurde der Bereich der Massenproduktion ausgeweitet, die nur profitabel erfolgen konnte, wenn sie ähnlich arbeitsteilig und hierarchisch organisiert war wie der Autobau in Fords Fabriken.

Die fordistische Fabrik kann nur effizient produzieren, wenn sie über einen Markt verfügt, „der im Stande ist, die Produkte im konstanten Rhythmus zu absorbieren, der bei Anstieg der Arbeitsproduktivität und der Kosten mit­wächst, und vor allem gemäß der Zeiten der technischen Planung des Unter­nehmens vorhersehbar und planbar ist.“ (Revelli S.41) Die dafür notwendigen hohe Wachstumsraten der Wirtschaft gab es ab Ende der 1960er bzw. Anfang der 1970er Jahre nicht mehr. Also mussten die Unternehmen lernen, auch in einer Epoche des langsamen Wachstums zu überleben. 

Die Produktion z.B. bei Toyota wurde nun so umorganisiert, dass Anlieferun­gen „just in time“ erfolgten, so dass Zwischenlager und Personal abgebaut werden konnten. Die technischen Neuerungen „im Kommunikationssystem (Computer plus Satellit) und im Transportwesen (Container und Luft-Cargo)“ (Revelli S. 60) wurden zur Entwicklung eines neuen Organisationsmodells benutzt, das wesentlich flexibler auf die Anforderungen der Märkte reagieren konnte. Zeit und Raum wurden besser beherrschbar, der Informationsfluss wurde extrem beschleunigt. Das betraf sowohl die Entscheidungsprozesse in den Unternehmen als auch die Entscheidungen der Kapitalanleger. Mit den neuen Informationstechniken waren Börsendaten und Wechselkurse viel schneller verfügbar, so dass Kapitalbewegungen rund um den Globus alltäglich wurden.

Die neue Organisation der Produktion machte die Arbeitsplätze unsicherer und erlaubte den Unternehmern, durch die Drohung mit „Outsourcing“ und Verlagerung von Produktionsabschnitten in Billiglohnländer Druck auf die Löhne auszuüben. Der soziale Besitzstand der Arbeiter wurde in Frage ge­stellt und damit auch ihre Rolle als kaufkräftige Konsumenten. Die Vollbe­schäftigung als Ziel der staatlichen Wirtschaftspolitik wurde aufgegeben, Vorrang bekam die Geldwertstabilität. Statt des Keynesianismus wurde der Neoliberalismus zur vorherrschenden Doktrin, damit war die Ära des Fordis­mus zu Ende.

3. Die Ökonomie des Realsozialismus
 

Die Krise des Fordismus und der Übergang zum Postfordismus hatten Aus­wirkungen auch auf die Länder, die sich als sozialistisch bezeichneten und ihre Gesellschaftsordnung als eine Alternative zum Kapitalismus verstanden. Andererseits hatte schon Lenin mit der „Neuen Ökonomischen Politik“ ab 1921 eine Art Kapitalismus im Kleinen akzeptiert, der allerdings durch den Staat kontrolliert und in Schranken gehalten werden sollte. „Wenn der Staat die Kommandohöhen der Wirtschaft: Banken, Außenhandel, Schwerindustrie und Eisenbahnen behauptete, dann konnte er den Privatkapitalismus, wie er sich vom Lande her und aus den Mittelschichten entwickeln müßte, regeln und ordnen.“ „Gerade weil Lenin die Wendung vom Kriegskommunismus zum Staatskapitalismus vornahm, lehnte er jedes Zugeständnis an irgendeine Demokratie hartnäckig ab. In Rußland könne sich die Minderheit der Arbeiter gegen die große Mehrheit der kleinen Eigentümer, zumal bei neu entstehen­den kapitalistischen Formen, nur durch straffe Diktatur behaupten. Aus dem­selben Grunde müsse innerhalb des Proletariats die Kommunistische Partei unbedingt führen, und die Partei selbst müsse in fester Einheitlichkeit und Disziplin dastehen.“ (Rosenberg S. 189)

Die Entwicklung Russlands bzw. der Sowjetunion zu einem modernen Indus­triestaat vollzog sich also nach dem Muster der westlichen Industrieländer, nur dass die Partei mit Hilfe der Planung die „ursprüngliche Akkumulation“ dirigierte. Es gab kein alternatives Entwicklungsmodell, auch nicht in der Arbeitsorganisation. Der Lohnarbeiter blieb Lohnarbeiter, auch wenn nun der Staat sein Arbeitgeber war. Dass die Arbeitsplätze sicherer als im Kapitalis­mus waren, änderte daran nichts. Die Arbeiterinnen und Arbeiter bestimmten nicht über die Produktion, ihre Entfremdung von dem Prozess und dem Pro­dukt ihrer Tätigkeit wurde nicht aufgehoben.

„Die Arbeitswelt ist durch eine Technostruktur geprägt, die einer ‚nichtsozia­listischen’ Industriekultur entstammt und sich von ihr auch nicht wegentwi­ckelt. Die Ziele sind in Inhalt und Ausmaß von außen her präformiert und haben den Charakter von Befehlen, formuliert durch eine Leitungsbürokratie, welche parallel durch einen Parteiapparat und eine Gewerkschaft kontrolliert wird, und an deren Spitze ein durch die werktätige Bevölkerung nicht kontrol­lierbares Politbüro steht. Die wirklichen Einflußmöglichkeiten auf die Ziele des Wirtschaftens und die Verwendung des gemeinsamen Produktionsergeb­nisses konvergieren gegen Null.“ (Hof S. 117)

Auch die Interessen der Bevölkerung als Konsumenten wurden nicht zufrie­denstellend berücksichtigt. Denn ohne demokratische Willensbildung von unten war eine Planung von Gebrauchswerten gemäß diesen Interessen nicht möglich. Diese wurde von den staatlichen Planungsbehörden auch nie ernst­haft versucht. Statt dessen orientierten sie sich an Werten (=Tauschwerten) und entsprechenden Marktpreisen, auch wenn diese durch staatliche Subven­tionen politisch korrigiert wurden. 

„Der Konstruktionsfehler der ‚zentralen Planwirtschaft’ liegt also nicht da, wo ihn die bürgerliche Kritik ansiedelt – in dem Versuch, den wirtschaftlichen Lebensprozess der Gesellschaft dem Bereicherungsstreben des Kapitals zu entziehen, die Kapitalisten zu enteignen und die Wirtschaft einer planvollen Leitung und Entwicklung zum Wohle aller und nicht nur der Reichen zu unterstellen. Der ‚Wahnsinn’ besteht vielmehr darin, die Planung der neuen Gesellschaft in Kategorien zu vollziehen, die eigentlich der längst überwunde­nen Eigentumsökonomie entstammen, die also nichts als die dinglichen Aus­drücke einer Konkurrenz sind, in der sich mit ausschließender Verfügungs­macht ausgestattete Eigentümer zum Zwecke ihrer Bereicherung wechselsei­tig erpressen: Geld, Preis, Lohn, Gewinn.“ (Dillmann, S. 93)

Die zentrale Steuerung der Wirtschaft und speziell der Industrie in den real­sozialistischen Ländern lieferte nicht die beabsichtigten Ergebnisse. Die Ab­teilung der Investitionsgüter samt Rohstoffen und Energieträger verzehrte eine wachsende Menge ihres Ertrags selbst. Ihr Wachstum ging immer mehr zu Lasten der Industrien für Lebensmittel und Konsumgüter. Das „Kernstück allen sozialistischen Wirtschaftens“, die sogenannte Planung, war „nicht nur eine Fiktion, sondern wurde, schlimmer noch, zu einem Instrument der Desin­formation.“ (Koenen S. 65) „Tatsächlich waren die legendären Fünfjahrpläne auch ohne jede bindende und direkte Wirkung und trugen rein propagandisti­schen Charakter.“ ( Koenen S.66) 
 

Die Betriebe legten versteckte Reserven an, „schon aus schierem Selbst­erhaltungstrieb. Jeder suchte zu kaschieren, was er hatte und leisten konnte, weil jede Produktionssteigerung »bestraft«‚ das heißt steuerlich abgeschöpft wurde, und in die nächsten Planvorgaben mit einging. Daraus entwickelte sich ein System abgeschirmter horizontaler Wirtschaftskreisläufe, oft recht kom­plexer Art mit vielen Beteiligten, bis hin zu eigenen, halbautarken Wirt­schaftssektoren, die sich durch Systeme gegenseitiger Kreditierungen über Wasser hielten. Diese informellen Lieferkredite und Beziehungen waren es, die vielen Analysen zufolge die Wirtschaft der UdSSR überhaupt am Laufen gehalten haben.“ (Koenen S.66)
 

„So entwickelte sich, was als zentrale Planwirtschaft unter dem Primat poli­tischer Vorgaben daherkam, je länger, je mehr zu seinem direkten und ironi­schen Gegenteil: einem naturwüchsig sich selbst fortschreibenden und repro­duzierenden Wirtschaftsprozess, der im Wesentlichen den partikularen Inter­essen seiner lokalen oder betrieblichen Akteure folgte.“ (Koenen S. 67)
 

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gelang trotz aller Schwächen der realsozialistischen Ökonomie der Wiederaufbau Osteuropas. Aber bereits in den 1960er Jahren zeigte sich, dass der Osten im ökonomischen Wettbewerb mit dem Westen unterlegen war. Die Kombination aus fordistischen Elemen­ten und der staatlich-bürokratischen Steuerung der Wirtschaft konnte nicht so produktiv funktionieren wie das fordistische Original. Die Erträge der Wirt­schaft reichten im Grunde nicht aus, um sowohl den Konsum der Bevölke­rung in etwa auf Westniveau anzuheben als auch die Mittel für die Weiter­entwicklung der ökonomischen Basis aufzubringen. Dieses Dilemma wurde zwar nie offiziell zugegeben, es bestimmte aber immer mehr die Wirtschafts­politik der KPdSU und ihrer Bruderparteien. 
 

Ab 1970 schlug die KPdSU einen neuen Kurs ein, indem sie der „Erhöhung des Lebensniveaus der Werktätigen“ den Vorrang gab, in der Hoffnung, dass dadurch auch deren Leistungen in der Produktion steigen würden. Man erwar­tete „einen anhaltenden Produktions- und Produktivitätsschub“, der eine Modernisierung der Wirtschaft ermöglichen würde (Hübner S. 265/266). Dieses Kalkül ging jedoch nicht auf. Die Verbesserungen bei Konsum und Sozialleistungen schufen keine dauerhafte Motivation für eine erhöhte und bessere Arbeitsleistung. Vor allem bremste die Trägheit des bürokratischen Apparats alle „Bemühungen um den Anschluss an die Hochtechnologie­entwicklung“ (Hübner S. 266).
 

Das betraf besonders die Mikroelektronik, die im Westen zunehmend in der Massenproduktion, z.B. im Automobilbau, eingesetzt wurde. Hier gelang selbst der DDR der Anschluss nicht. Obwohl Milliarden in die Entwicklung von Speicher-Chips investiert wurden, schaffte man es nicht, sie kostengüns­tig zu produzieren. So kostete ein 256 KB-Chip über 500 DDR-Mark pro Stück, während ein importierter Chip für nur 5 Mark zu haben war (Maier S. 141). 
 

Insgesamt befand sich die DDR-Ökonomie in einem Teufelskreis. Wegen der unzureichenden Innovationsfähigkeit der Wirtschaft konnten nicht genügend hochwertige Produkte hergestellt werden. Dadurch konnte man die Exporte ins kapitalistische Ausland nicht so erhöhen, dass man genug Devisen für den Import fortgeschrittener Technologie für die Produktionsanlagen hätte ausge­ben können. Also unterblieb die dringend erforderliche Modernisierung der Wirtschaft. 
 

In der Sowjetunion und den anderen osteuropäischen Ländern war die Lage noch schlimmer. Die Reformen unter Gorbatschow brachten zwar mehr demokratische Freiheiten im öffentlichen Leben, führten aber – trotz der Einführung von marktwirtschaftlichen Elementen – nicht zu einer Stärkung der Wirtschaft. Statt dessen führte die Demokratisierung zum Ende der Herrschaft der KPdSU und zum Zerfall der staatlichen Strukturen.

4. Fazit
 

In den realsozialistischen Ländern konnte sich trotz anfänglicher revolutio­närer Impulse kein Konzept einer emanzipativen, nicht-ausbeuterischen Ar­beitsorganisation durchsetzen. Statt dessen wurden wesentliche Elemente des Fordismus übernommen, sowohl was die Organisation der Produktion als auch die Konsumziele betraf. Da diese Ziele und ihre Realisierung zu einem Maßstab für die politische Legitimation des Systems wurden, trug ein Schei­tern in diesem Bereich in erheblichem Maße zum Scheitern des gesamten Systems bei. Das Scheitern des Realsozialismus war aber keineswegs eine Voraussetzung für den Untergang des Fordismus im Westen und für den Siegeszug des Neoliberalismus. Im Gegenteil: schon in den 1970er Jahren begann im Westen die Abkehr vom Fordismus, als ein Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten noch nicht absehbar war. Ihre Schwächen waren allerdings schon deutlich zutage getreten, und sie hatten keine Chance mehr, in der Konkurrenz der Gesellschaftssysteme zu gewinnen.
 

5. Literatur

Renate Dillmann, China. VSA Verlag Hamburg 2009.

Hans-Joachim Hof, Motivationale Probleme der intensiven Nutzung des Arbeitskräftepotentials, in: Gernot Gutmann (Hg.), Das Wirtschaftssystem der DDR. Stuttgart 1983. 

Peter Hübner, 1970 und die Folgen. Sozialpolitisches Krisenmanagement im sowjetischen Block, in: Konrad H. Jarausch (Hrsg.), Das Ende der Zuver­sicht? Die siebziger Jahre als Geschichte, Göttingen 2008.
 

Gerd Koenen, Was war der Kommunismus? Göttingen 2010.
 

Charles S. Maier, Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus. Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt 2000.
 

Marco Revelli, Die gesellschaftliche Linke: jenseits der Zivilisation der Arbeit. Westfälisches Dampfboot Münster 1999.
 

Arthur Rosenberg, Geschichte des Bolschewismus. Europäische Verlagsanstalt Frankfurt 1966.
 

Volker Wittke, Wie entstand industrielle Massenproduktion? : die diskon­tinuierliche Entwicklung der deutschen Elektroindustrie von den Anfängen der "großen Industrie" bis zur Entfaltung des Fordismus (1880 - 1975). Berlin Edition Sigma, 1996.