von Georg Franzky Cabral

Abtreibungsverbot 1984 aufgehoben

Portugal hatte bis 2007 neben Polen und Irland eines der strengsten Abtreibungsgesetze in Europa. Zwar wurde das generelle Abtreibungsverbot 1984 aufgehoben. Doch drohten Ärzten bei der Gewährung von Abtreibungshilfe weiterhin Haftstrafen von bis zu drei Jahren. Noch im Juli 2006 – ein Jahr vor der gesetzlich fixierten Fristenlösung - wurde ein Arzt im nordportugiesischen Aveiro wegen Abtreibungshilfe in sieben Fällen zu drei Jahren und 8 Monaten Gefängnis verurteilt.                  enlish version here

Fast 25 Jahre bis zu einer gesetzlichen Fristenlösung 

Im Jahre 1998 hatte der damals regierende PS (Partido Socialista, eher eine Sozialdemokratie) mit dem heutigen UN- Generalsekretär António Guterres als Premierminister ein ehrgeiziges Projekt: Einführung einer Fristenlösung, des straffreien Abbruchs der Schwangerschaft – unter bestimmten Bedingungen. Ein Referendum sollte Volkes Willen dazu einholen. Es ging schief. Zwar knapp, aber eindeutig. So musste die PS–Regierung eines ihrer ambitionierten Projekte vorerst begraben. Verloren ging das Referendum in den traditionell konservativen ländlichen Gebieten, insbesondere im Norden des Landes. Die katholische Amtskirche (ca. 90 % der Portugiesen sind katholisch) hatte monatelang mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen den „legalisierten Mord“ polemisiert, unterstützt von den konservativen und kleinen rechten Parteien. Im Jahre 2007 – wieder eine PS-Regierung, gab es ein zweites Referendum. Nun gab es zwar eine Mehrheit für die Fristenlösung, jedoch reichte die Wahlbeteiligung nicht aus, um das Referendum verbindlich machen zu können.  So wurde der straffreie Schwangerschaftsabbruch 2007 per Gesetz über das Parlament durchgesetzt.

Lang, lang hat es gedauert. Zur Geschichte

Fast ein halbes Jahrhundert faschistische Diktatur in Portugal, die katholische Amtskirche als Betonstütze des reaktionären „Neuen Staates“ („Estado Novo“) von Salazar, eine absolut männerdominierte Gesellschaft, dazu die bis zum Sturz der Diktatur am 25. April 1974 andauernde Isolation des Landes von internationalen Entwicklungen markieren die Hauptgründe für die Unterdrückung der Frauen, bis in die kleinsten Poren des Alltags. Insbesondere was Sexualität, Frauenrolle, Abhängigkeit von Vätern oder Ehemännern, Verheiratung u.a.m. betrifft! 

Offiziell gab es natürlich keine Abtreibungen, es gab offiziell auch keine Vergewaltigungen, ob in oder außerhalb der Familie. Es gab selbstverständlich auch keine ungewollten Schwangerschaften, auch wenn der Großgrundbesitzer im Alentejo oder Ribatejo und andere Männer mit Macht diese oft genug gegen die ihnen untergebenen Frauen sexuell ausnutzten.

So waren die Abtreibungen ohne ärztliche Kontrolle, illegal in Wohnungen ohne ausreichende Hygiene, vorgenommen von gutwilligen, aber meist nicht professionellen HelferInnen tausendfach an der Tagesordnung.

Bis in die 90iger und 2000er Jahre gab es jährlich 20.000 bis 40.000 illegale Abtreibungen. Zwischen 5.000 und 10.000 Portugiesinnen gingen jährlich nach Spanien, wo seit 1985 ein vergleichsweise liberales Abtreibungsgesetz herrscht. Etwa ein Dutzend spezialisierte Abtreibungskliniken entlang der Grenze nahmen die Behandlung vor. Klar, privat bezahlt. Das konnten sich natürlich nur die wenigsten Portugiesinnen leisten, die dann eben die manchmal lebensgefährliche Abtreibung in Portugal vornehmen lassen mussten.

Viele dieser Tragödien hätten verhindert werden können, wenn es wenigstens in den Schulen eine adäquate Sexual-Aufklärung gegeben hätte. Doch auch die wusste die Amtskirche lange Zeit im Verein mit vielen konservativen bis reaktionären Kräften (oft auch mit den Eltern) zu unterbinden. Erst seit 2009/2010 ist Sexualerziehung verpflichtend in den Schulen eingeführt.

Der Stand heute

Mit dem Jahr 2007 gilt die Fristenregelung: Seither können Frauen unerwünschte Schwangerschaften innerhalb der ersten zehn Wochen straffrei unterbrechen, wenn zuvor eine Beratung stattgefunden hat. Im Falle von Sexualdelikten, der Missbildung des Fötus oder der Gefährdung des Lebens der Mutter kann ein Abbruch auch noch später vorgenommen werden.

In Portugal ist die Abtreibungsrate seit der Liberalisierung des Abtreibungsrechts im Jahre 2007 relativ stabil, momentan liegt sie bei 7,9 (pro 1000 Frauen). Im Jahr 2022 wurden 16.471 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt.

Eines der Hauptprobleme bei der Um- und Durchsetzung des Rechts der Frauen auf Schwangerschaftsabbruch ist in den vielen ländlichen Regionen, zwei ! Ärzte zu finden, die ihn durchführen. (Die Anwesenheit von zwei Ärzten ist bislang obligatorisch). Frauengruppen erzählen, dass es Ärzte gebe, die es öffentlich ablehnen, einen Schwangerschaftsabbruch in dafür autorisierten Einrichtungen durchzuführen, es aber dann privat und schwarz tun, gegen gute Bezahlung, versteht sich.

Im Prinzip jedoch ist der Schwangerschaftsabbruch in Portugal kostenfrei und fällt unter die Schweigepflicht.

Foto: Esquerda.net

Forderungen von Frauengruppen

• Ein Ende der obligatorischen Bedenkzeit und der verpflichtenden Beratung

• Fristenregelung von 10 auf 12 Wochen erweitern

• Abschaffung der "Verpflichtung, dass zwei Ärzte eingreifen müssen, um einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen“. In einem Krankenhaus, in dem nur ein Arzt oder eine Ärztin Schwangerschaftsabbrüche durchführt, ist das nicht möglich.

• Darüber hinaus fordern die Gruppen und Verbände die Ausweitung der Praxis auf die öffentlichen Gesundheitszentren und Garantien, dass "alle Gesundheitseinrichtungen, die bereit sind, die IVG (Interrupção voluntária da gravidez/den Freiwilligen Schwangerschaftsabbruch) durchzuführen, das effektive Recht darauf auch gewährleisten, und dass die Verweigerung aus Gewissensgründen (bei den Ärzten) kein Hindernis für die Einhaltung des Gesetzes sein kann“. Es gibt Regionen des Landes, in denen alle entsprechenden Einrichtungen Schwangerschaftsabbrüche aus Gewissensgründen verweigern, quasi ein Boykott des Zugangs zum Schwangerschaftsabbruch.

Wird es auch in Portugal Einschnitte beim Recht auf Abtreibung geben?

Nach der Parlamentswahl vom 10. März dieses Jahres mit einer nun Mitte-Rechts-Minderheitsregierung stellt sich diese Frage leider sehr klar. Zumal sich die rechtsextreme Chega-Partei (50 Mandate; noch! Opposition) mit ihren Schlagwörtern aus der Salazar-Zeit „Gott, Vaterland, Familie, Arbeit“ ganz klar für Abschaffung der entsprechenden Gesetze positioniert. Immerhin scheinen der neue konservative Premierminister Montenegro und seine zuständige Ministerin noch eine klare Position zu haben: An den bestehenden Gesetzen werde nichts geändert. Jedoch stellt er für die EU-Ebene klar: Er sei gegen die Einführung des Grundrechts auf Abtreibung in der EU wegen "rechtlicher Unausgewogenheit“. Nun ja…

Überblick über die gesetzlichen Regelungen und Abtreibungspraxis in Südeuropa siehe: https://www.nzz.ch/international/abtreibungsrecht-wie-sich-die-laender-suedeuropas-unterscheiden-ld.1692067