Am 11.05.2025, 11.00 Uhr, in der Donnerschweer Str. 55

werden wir die Diskussion über Flüchtlingspolitik vom 23.03.25 wieder aufnehmen. Zur Debatte steht die politische Einordnung von Flucht und Migration in eine linke Gesamtperspektive, um die deutschen Außengrenzen offenzuhalten.

Dazu hat Helmuth das Papier "Argumentationslinien zur Verteidigung offener Grenzen gegen die Zeitenwende" (siehe unten) vorgelegt. Es reagiert auf die Einschränkungen für Flucht und Zuwanderung, die schon unter der Ampelregierung begonnen haben und mit der jetzt beschlossenen Verstetigung von Grenzkontrollen ihren vorläufigen Höhepunkt finden. Grenzkontrolle heißt bei der Konstruktion des Schengenraums nichts anderes als die Verunmöglichung von Asylanträgen in Deutschland.

Über das Papier entwickelte sich eine breite Diskussion, die mehrere Stellungnahmen zum Ergebnis hatte. Diese können hier heruntergeladen und nachgelesen werden:

 Ganz zu Anfang legte Horst Kahrs ein eigenes Paper zu diesem Thema vor, das auf eine frühere Version des Papers "Argumentationslinien ..."  reagierte: Anmerkungen zum Migrationspapier (Fassung 28.04.)  , siehe dazu auch  untere Einkommensgruppen: Personen mit migrantischem Hintergrund und Kahrs, Horst, 202023-11-27, SVB-ohne-deutschen-Pass 

Michael erarbeitete den Entwurf eines Konsenspapiers, das Kritik am Ursprungspaper miteinbezog: Versuch eines Konsenspapers

Henning äußerte sich mit einer grundsätzlichen Kritik: Grundrecht auf Migration? pdf

Elke und Achim kritisierten einzelne Punkte des Papers "Argumentationslinien...": Siehe Elke: Migration_meineBemerkungen1.pdf und Achim: Antwort auf Helmuth.pdf

Und hier nun die Fortsetzg. des Papiers "Argumentationslinien...": Hintergrund für diese Entwicklung ist u.a. eine gezielte und leider erfolgreiche Kampagne der AfD. Damit ist es der AfD gelungen, die Willkommenskultur zu brechen und Ausländerfeindlichkeit zu schüren. Gleichzeitig fanden aber in linken Diskursen politische und analytische Elemente von Zuwanderung und vorhandene Probleme keinen Platz mehr. Das Papier macht den etwas fragmentarischen Versuch, der rein defensiven Reaktion auf die Angriffe von rechts eine linke Vision von Zuwanderung und Migration entgegenzusetzen, einige Fakten über Zuwanderung aufzuzählen, gesellschaftliche Probleme zu benennen, die aus dadurch entstehen, und mögliche Lösungen vorzuschlagen, die einerseits nach Hegemonie suchen, andererseits unterscheiden zwischen Forderungen an Staat bzw. Regierung und Änderungen, die sich in der linken Denk- und Handlungsweisen ergeben sollten. Wie die Überschrift aussagt, wird als oberstes Ziel die Verteidigung der Offenheit der Landesgrenzen definiert, d.h. das Papier geht von einem in die Defensive gedrängten linken Zuwanderungsdiskurs aus, was wenig Spiel nach vorne erlaubt.

 
Prinzipielles

1. Migration versus Flucht: zwei linke Grundprinzipien

Migration ist ein positives Grundrecht, das aus linker Sicht unbedingt verteidigt werden muss: frei dort hingehen zu können, wo man sein möchte. 

Flucht vor inhumanen oder das eigene Leben bedrohende politische und ökonomische Verhältnisse ergänzt das Grundrecht auf Migration: die Verhinderung ihres Erfolgs ist ein Akt unterlassener Hilfeleistung. Die Prüfung jedes Einzelfalls von Flucht ist damit aus linker Sicht ein Individualrecht, das nicht hintergehbar ist.

2.    Migration und Flucht: Keine Diskussion, ohne die Ursachen zu benennen

Für Linke ist klar, dass die Diskussion um Flucht und Migration ohne Benennung und Bekämpfung ihrer Ursachen heuchlerisch ist. Die Ursachen sind vielfältig, ein Teil ist von den kapitalistischen Ländern verursacht (aktuell durch terms of trade, Schuldenregime und Klimaveränderung, früher durch Kolonialismus und Imperialismus), ein anderer Teil in den Herkunftsländern durch religiöse Hegemonie, vorbürgerliche Reproduktion mit patriarchalem Charakter, staatliche Unterdrückung und Verfolgung, ohne damit eine abschließende Auflistung der Ursachen zu intendieren. 

Mit anderen Worten: als Fluchtursachen steht individuell erfahrene Gewalt im Vordergrund, bei der aktuellen Migration ökonomisch und politisch strukturelle. Beide sind häufig miteinander assoziiert und nicht immer klar zu trennen. 
Es ist gute linke Tradition, die Unterscheidung zwischen struktureller und individueller Gewalt/Macht zu kritisieren, die der bürgerlichen Gesellschaft zugrunde liegt. Aktuell ist primär das Individualrecht auf Fluchtmöglichkeit massiven Angriffen ausgesetzt. Im Hintergrund geht es aber auch um Arbeitsmigration, die auf gut ausgebildete Arbeitskräfte beschränkt werden soll.

3.      Migration („Exit“) ist keine primäre linke Strategie.

Exit aus einem Land mit hoher Armut, politischer Unterdrückung oder patriarchal-präbürgerlicher Reproduktion könnte man als Abstimmung mit den Füssen und im operaistischen Sinne als politische Aktion interpretieren, die Öffnung der Grenzen damit als Unterstützung im „Klassenkampf“ („Migrantische Internationale gegen das Grenzregime“). Eine solche politische Interpretation der Migration trifft aber kaum den Kern. (1) Migration und Flucht entleeren die Herkunftsländer und beeinflussen die dortige Veränderungsmöglichkeiten negativ. (2) Der Abfluss von Menschen im erwerbsfähigen Alter führt nicht zu einer Steigerung der Löhne in den Herkunftsländern, sondern eher zu einem Zusammenbruch der Infrastruktur und ökonomischen Entwicklungsperspektive. Dies verschärft die Konsequenzen des Klimawandelns und die autoritären Verhältnisse in den jeweiligen Ländern. (3) Es gibt bis dato keine belastbaren Hinweise, dass durch Flucht und Migration sich eine neue Massenbasis für eine Gesellschaftsveränderung in den Zielländern eröffnen würde (ohne damit in Frage stellen zu wollen, dass MigrantInnen ein zwingender Teil für eine gesellschaftsverändernde Praxis sind).

4.      Linkes Denken und Handeln sind primär kein Handeln aus (linker) Regierungssicht.

Die letzten Jahrzehnte haben ein Verschwimmen der Unterscheidung von linker Politik und Regierungshandeln hervorgebracht. Regierungshandeln ist immer ein solches, das mit einer Vielzahl unterschiedlicher Bevölkerungsblöcke und Regierungen umgehen muss und in diesem Verhältnis Hegemonie austariert. Linke Politik sucht dagegen nach einer prinzipiellen Veränderung und ist primär autonom gegenüber solchen Einschränkungen. Es macht weder Sinn, diese Freiheit linken Denkens direkt auf staatliches Handeln übertragen sehen zu wollen, noch linke Interventionen auf politisch direkt Durchsetzbares zu reduzieren bzw. das Ziel linker Organisation auf Forderungsstellen zu minimieren. Linke Organisation gewinnt ihre Kraft als Lebensform und Teil der Alltagsgestaltung.

5.    Migration und Flucht: Ein linkes Ziel

Migration und Flucht in die Länder der nordwestlichen EU unterscheiden sich hinsichtlich ihrer politisch-juristischen Einordnung, nicht aber hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Zielländer. Auch die Unterscheidung ihrer Verursachung ist graduell. Beide sind zu einem erheblichen Teil Ergebnis von Unfreiheit und Bedrohung. Den Beweis dafür liefert ihre massive Gerichtetheit.

Aus linker Sicht gelte es, eine Multitude von Lebensverhältnissen auf dieser Welt herzustellen, die Flucht unnötig macht, Migration ihre einseitige Richtung nimmt und „erratisch“ werden lässt, als Zeichen zunehmender Freiheit, Gleichheit, Fürsorge und Kooperation überall auf dieser Welt.

Ist damit das langfristige Ziel linker Politik klar beschrieben, so stellt sich kurzfristig die Frage, wie in der aktuellen Situation Flucht und Bewegungsfreiheit politisch verteidigt werden kann. Dieses ist nur durch eine Veränderung der Hegemonie in der Thematisierung beider zu erreichen.

6.    Politische Hegemonie bedarf einer Win/Win Situation unterschiedlicher Fraktionen

Wenn linke Politik wirkmächtig werden will, muss sie Hegemonie suchen (aktuell gegen die wachsende Ausländerfeindlichkeit und das Individualrecht auf Flucht). Hegemonie kann nur aus Win/Win Situationen mit nicht linken Bevölkerungsgruppen gewonnen werden, solange die Mehrheit nicht weit links steht. Richtige Forderungen („offene Grenzen“) können ohne die Berücksichtigung anderer Bevölkerungsgruppen nicht mehrheitsfähig werden.

Faktisches

1.        Ungefähr ein ¼ der deutschen Bevölkerung besteht aus MigrantInnen, FlüchtlingInnen oder hat einen solchen Hintergrund. Dies ist ein riesiger kultureller, sozialer und ökonomischer Segen, des Bedeutung an dieser Stelle einfach einmal betont werden muss.

2.        Der Anteil ausländischer Beschäftigter lag 2023 bei 15.3 Prozent und hat sich seit 2010 mehr als verdoppelt.

Laut Mikrozensus bei Zugewanderten mit unterschiedlicher Ausprägung: 67 % der Beschäftigten im Aus- und Trockenbau, 51 % in der Lebensmittelherstellung, 47 % in der Berufsgruppe der Fliesenleger/-innen, 46 % der Fahrer/-innen von Bussen und Straßenbahnen, 45 % in der Gastronomie. 
In den Einkommensgruppen bis 1500 Euro (Netto) sind Migranten und Flüchtlinge deutlich überproportional vertreten und sind damit in der „Unterklasse“ konzentriert.

3.        Das deutsche Bruttoinlandsprodukt wäre ohne Zuwanderung sicher gesunken und die Situation der Krankenkassen und Rentenversicherung katastrophal.

Insgesamt wurden 71 % der Stellen, die zwischen 2010 und 2023 neu entstanden sind, mit ausländischen Arbeitskräften besetzt. Die Gruppe der MigrantInnen ist ökonomisch hoch motiviert. Sie stellen 21 % der Gründer eigener Firmen bei einem Bevölkerungsanteil von 18 % (im Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2017).

4.        Ca. ein Sechstel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zahlt in die Sozialkassen und Einkommenssteuern, ohne das Recht zu haben, über die Verwendung ihrer Gelder mitzuentscheiden

Das Wahlrecht ist in Deutschland an die Staatsbürgerschaft geknüpft, nur für Migranten aus der EU gibt es ein kommunales Wahlrecht. Damit bleiben Migranten und Flüchtlinge selbst mit längerfristiger Duldung oder unbefristeter Arbeit von politischen Entscheidungen ausgeschlossen.

5.        Migration ist nicht identisch mit Flüchtlingsströmen

Die Zuwanderung nach Deutschland geschieht bis auf in wenigen Ausnahmejahren überwiegend nicht aus Drittstaaten, sondern aus der EU. Dies war nur 1998, 2015 (Syrien Krieg) und seit 2022 (Ukraine Krieg) anders, wobei auch in diesen Jahren die Migration aus Europa (ohne Ukraine) gewachsen ist, nur eben weniger als die anderen Flüchtlingsströme.
Die aktuelle Zuspitzung auf SyrerInnen und AfghanInnen erfolgt an der Grenze der Demagogie, zur Überdeckung des Versagens staatlichen Handelns und „legitimiert“ politische Eingriffe, die anders nicht ohne weiteres durchsetzbar wären. Dies geschieht, weil Flucht im Sinne der Genfer Konvention zunehmen wird, die Genfer Konvention aber nicht offen gekündigt werden soll. 

6.        Zuwanderung und Flucht sind nicht identisch mit Asyl.

Asylbewerber im engeren Sinne des Wortes sind kleiner Teil der Flüchtlinge (unter einem Prozent). Faktisch reden wir, wenn wir über Zuwanderung reden, über Armuts- und Arbeitsmigration, die mindestens 2/3 der Zuwanderung ausmacht (Rest nach Genfer Konvention). Diese empirischen Fakten lassen sich nicht aus argumentationstaktischen Gründen wegdiskutieren.

7.        Die realen Flüchtlinge sind nicht unbedingt diejenigen, die am ehesten flüchten müssten

Beispiele: Aus Syrien und Afghanistan aber auch Afrika kommen überwiegend junge Männer, obwohl die Lebensbedingungen für Frauen dort viel verheerender sind. Aus der Ukraine kommen überwiegend akademisch gebildete Frauen, nicht aber Männer, die kämpfen müssten, und nur wenige Nichtakademiker (die dann gegen russische Nichtakademiker kämpfen und mit ihnen zusammen sterben).

8.        Die Migrations- und Flüchtlingsströme werden wachsen wegen eines weltweit zunehmenden Nationalismus, Bürgerkriegen und Klimaveränderungen

Die Weltbank schätzt, dass bis zum Jahr 2050 bis zu 143 Millionen Menschen zu Klimaflüchtlingen werden könnten. Linke Analysen einer drohenden Polykrise kommen zu einem analogen Ergebnis.

Probleme

1.      Die Sozial- und Bildungspolitik ab 2000 war auf eine schrumpfende Bevölkerung eingestellt, das umgekehrte ist passiert.

2.      MigrantInnen sind deutlich jünger als „Einheimische“ (im Schnitt annähernd 10 Jahre). Damit überlagert ein Generationenkonflikt einen kulturellen Unterschied.

Paradigmatisch: es „lungern“ junge MigrantInnen abends in den Innenstädten und verängstigen ältere „SpießerInnen“. Der typische Generationenkonflikt wird zu einem ethnischen, der deutliche Gewinn der Innenstädte mit Leben verkehrt sich im Erleben ins umgekehrte.

3.         MigrantInnen haben zu einem deutlich höheren Anteil keinen Berufsabschluss und ihre schulisch-universitären Abschlüsse werden nur partiell anerkannt.

ZuwanderInnen von außerhalb der EU haben aus fast allen Regionen zu mehr als 45 % keinen Berufsabschluss, bei „Einheimischen“ sind es unter 15 %. Die Jobs, in denen viele Zuwanderer arbeiten, befinden sich überwiegend im Niedriglohnsektor mit hoher Ausbeutungsrate. Insofern gibt es einen latenten strukturellen Rassismus, der sich noch verschärfen wird, einfach wegen der ausgeübten Erwerbsarbeiten. Diesen perspektivisch zu ignorieren, ist fatal, da er wechselseitig zur Gewalt treiben wird (siehe die USA) und eine faktische Demütigung ausübt. Es ist aber sehr schwer, gemeinsame Klassenkämpfe für bessere Lebensbedingungen zu initiieren.

4.        Die Bewältigung der psychischen Folgen von Flucht bzw. des Lebens vor der Entscheidung zur Flucht („Traumatisierung“) ist ein Problem, auf welches es keine (rein) therapeutisch-medizinisch-psychologische Antwort geben wird und kann.

5.        MigrantInnen haben deutlich häufiger Kinder als „Einheimische“ und erziehen ihre Kinder nach anderen Maßstäben. Dies führt zu erheblichen sprachlichen und kulturellen Problemen in KiTas und Schulen. Die Kinder von MigrantInnen machen seltener einen höheren Schulabschluss.

6.        Abgelaufene Duldung ohne gesetzliche Perspektive auf Verlängerung birgt das Potenzial von Gewalttätigkeit gegenüber dem Gastland.

Nach eigner Auswertung: Seit 2016 wurden 40 % der Terrorattacken von Menschen ohne Bleibeperspektive vollzogen, 60 % von sich radikalisierten Islamisten, von denen einige wenige ebenfalls keine wirkliche Bleibeperspektive mehr hatten. Eine Aufenthaltsfortsetzung ohne Bleibeperspektive birgt immanent die Gefahr einer Wut- und Verzweiflungstat, gerade bei dem erheblichen Ausmaß an Traumatisierung der Flüchtlinge. 
Aktuell ist empirisch nicht absehbar, inwiefern ein Zuwachs an Ausländerfeindlichkeit ein weiterer Grund für Terrorattacken sein könnte und deren Zunahme erklärt.

7.        In der Gruppe der Zuwandernden ist das Frauenbild häufiger reaktionär als in der einheimischen Bevölkerung. Unklar ist, wie dieser kulturelle Clash angegangen werden kann.

In diesem Kontext: Der Anteil der erwerbstätigen Frauen unter den Flüchtlingen liegt nach 8 Jahren noch über 30 % unter dem von einheimischen bzw. migrierenden Frauen, aber nur bei 10 % bei den Männern.

Linke politische Perspektiven
Teil A: Kompromisse, um Schlimmeres zu verhindern und Besseres zu erreichen

1.         Die Migration in der EU verursacht eine doppelte Enteignung der Bevölkerung in den süd- und osteuropäischen Ländern, z.B. durch die Entwertung der Eigenheime, durch den Verlust von garantierten gesundheitspolitischen Leistungen (fehlende Pflege und Ärzte mit wachsender out-of-pocket Privatisierung) etc.

Eine Perspektive wäre ein EU weites ALG II in deutscher Höhe und eine Angleichung der Commons. Dies ist eine politisch machbare Forderung, die durchaus vermittelbar ist.

2.         Es gilt die Offenheit der Grenzen zu verteidigen, dies ist aus meiner Sicht die oberste und Hauptaufgabe linker Flüchtlings- und Migrationspolitik und sie speist sich nicht nur durch diese, sondern schlicht und einfach aus der Tatsache, das linke Politik zum Ziel hat, alle Grenzen einzureißen (ohne Diversität zu vermindern). Ohne Offenheit der Grenzen gibt es zudem kein durchsetzbares Individualrecht auf Flucht.

Für diese zentrale Forderung besteht auch eine mehrfache Win/Win Situation (wegen Arbeitskräftemangels, freiem Güterverkehr über die Grenzen, Reisemöglichkeiten ohne entsprechende Bürokratie, Berufsverkehr über die Grenzen etc.), so dass diese Forderung hegemonial werden könnte.
Die Rückgewinnung linker Hegemonie für offene Grenzen ist aber nicht ausschließlich zweckrational begründbar. Sie kann sich auch auf die fundamentalen Prinzipien von Fürsorge, Respekt und Verantwortung berufen und damit an die Willkommensstruktur anknüpfen.

3.         Ein erleichterter Nachzug von Familienmitgliedern wäre sicherlich ein Weg, um die psychischen Konsequenzen der Flucht zu vermindern.

Diese Einsicht sollte bei entsprechender Einbettung in Rahmenbedingungen von einer großen Mehrheit nachvollziehbar bleiben und gehört damit mehr in den Mittelpunkt der Argumentation.

4.        Das politische Mitspracherecht auf kommunaler Ebene sollte von der perspektivischen Dauerhaftigkeit des Aufenthalts und nicht vom Staatsbürgerstatus abhängig sein.

5.        Es führt kein Weg darum herum, Abschiebungen nach dem Auslaufen aller rechtlichen Möglichkeiten auch direkt und schnell zu vollziehen.

6.        Die Frage der Abschiebung nach schwererer Straffälligkeit muss zumindest neu diskutiert werden.

Wäre eine Gefängnisstrafe automatisch bis zum Ende der Duldung mit Möglichkeit, vorher das Land zu verlassen bzw. bei guter Führung nicht abgeschoben zu werden, vertretbar?

7.        Die strukturellen Probleme, die durch die Integration migrantischer Kinder verursacht werden, können nicht einfach durch mehr pädagogisches Personal gelöst werden.

Zu prüfen wäre zudem, ob eine Obergrenze von Kindern ohne hinreichende Deutschkenntnisse pro Schulklasse sinnvoll wäre mit entsprechender Verteilung der Kinder auf andere Schulen, soweit der Schulweg das zulässt. Es bedarf einer größeren Offenheit technischen Lösungen (z.B. KI) gegenüber, die aber gerade in den flüchtlingsfreundlichen Gruppen des pädagogischen Personals wenig vorhanden zu sein scheint.

8.        Womöglich bedarf es auch eines staatlich organisierten Arbeitsangebots für gering qualifizierte. Auch bedarf einer schnelleren Prüfung der vorhandenen beruflichen Abschlüsse.

9.        Sprachkurse sind essenzielle Teilen der Integration, vielleicht sind aber auch technische Lösungen der Sprachbarriere sinnvoll.

Eine Untersuchung der Wirkung von automatischen Übersetzungsgeräten für die Integration steht aus, wäre aber leicht zu machen.
Die Behandlung der Flüchtlinge aus der Ukraine und der aus anderen Ländern weichen deutlich voneinander ab. Es erscheint sinnvoll, den Erfolg dieser unterschiedlichen Umgangsweisen mit ZuwandererInnen wissenschaftlich durch entsprechende Subgruppenanalysen (wegen Unterschied in der allgemeinen Zusammensetzung) zu untersuchen und daraus zu lernen. 

10.     Die Zahl der Frauen, die in der ersten Migrationsgeneration arbeiten, sollte deutlich gesteigert werden, um den Kultur Clash zwischen den Geschlechtern aus seiner inzwischen starken Projektion auf Migranten zu befreien.

Womöglich bedarf es auch einer vermehrten Beratung und verbindlichen Sprachvermittlung für Frauen, die nicht als Flüchtlinge nach Deutschland kommen. In jedem Fall bildet die Sprachvermittlung einen Kern der Integration und auch hier scheint eine wissenschaftlich-technische Analyse, was optimal zu tun wäre, zu fehlen.

Teil B: Schritte zum Aufbau linker Organisation und Autonomie

Es ist zynisch, Lieferkettengesetze zu vertagen, Milliarden für Militär bereitzustellen aber nur Millionen für einen internationalen Klimafond, weltweite Staatsschulden vor Gerichten der kapitalistischen Länder zu verhandeln und gleichzeitig Migration durch Schließung aller Außengrenzen zu „beseitigen“. Eine linke Debatte über faktische Migration betont strukturelle ökonomische (und militärische) Gewalt als ihre Ursache. Damit endet sie weder mit reiner Empathie, noch stellt sie sich nicht nur gegen Ausländerfeindlichkeit, sie klärt auf und ist auf radikale Änderung aus. Dafür gelte es gemeinsame Plattformen zu entwickeln.

1        Plattform 1: „Nicht wir gegen euch, sondern wir gegen die!“

Gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen und höheres Einkommen der „Unterklassen“. 
75 % der Personen mit Migrationshintergrund haben ein Netto-Einkommen unter 2000,-, bei Migranten der ersten Generation liegt knapp 1/3 bei einem Nettoeinkommen zwischen 500,- und 1000,- Euro. 
Eine mögliche Antwort: gemeinsame Organisation in Gewerkschaft, sozialer Initiative und Partei zu Verbesserung von (Mindest-) Lohn, von Grundeinkommen und Kindergeld, zum Schaffen eines bezahlbaren Wohnraums.

2          Plattform 2: „Teach your children well! “
Gemeinsam für eine Überwindung des strukturellen Rassismus.
Ein zentrales Motiv von Migration ist der Wunsch, Kindern eine bessere Zukunftsperspektive zu ermöglichen. Das deutsche Schulsystem produziert und reproduziert eine Klassengesellschaft entlang ethnischer Grenzen. 
Eine mögliche Antwort: gemeinsam die Ausbildungsmöglichkeiten verbessern, für unsere Kinder, aber auch für uns durch bezahlte Weiterbildungsmöglichkeiten im Erwachsenenalter.

3          Plattform 3: „Du bist nicht besser als der neben dir, keiner hat das Recht Menschen zu regieren!“

Gemeinsam autoritäre Strukturen überall und auch bei uns aktiv bekämpfen!
Autoritäre, patriarchale Strukturen sind keine Erfindung des Kapitalismus, sie werden in ihn eingebettet und werden ohne ihn nicht einfach verschwinden. Häufig sind sie mit Kirchen und Religion verbunden. Wir reproduzieren sie durch uns und unser Verhalten. Die Veränderung dieses Verhaltens ist eine Aufgabe, die uns alle betrifft, einige mehr und andere weniger. Der Weg dahin ist wechselseitige Kritik, aber nicht ohne wechselseitiges Vertrauen!

4          Plattform 4: „Migration in alle Richtungen ermöglichen!“
Gemeinsam für die Wiedergewinnung eines praktischen linken Internationalismus!

Die politischen Gedanken und Hoffnungen vieler Migranten sind auf ihre Herkunftsländer gerichtet, ein innerliches Ankommen hier dauert Zeit und wird durch wachsende Ausländerfeindlichkeit behindert.

Eine mögliche Antwort: Internationalismus wird heute durch moralisierende Außenpolitik beherrscht, in linken Organisationen sind internationale Fragen wenig präsent. Mit Hilfe von Migranten und Flüchtlingen lässt sich ein anderes Verständnis über die politische und ökonomische Entwicklung in den Herkunftsländern entwickeln und die Widerstandsbewegungen in den jeweiligen Ländern vor Ort können besser unterstützt werden, d.h. es eröffnet sich die Basis für einen Antiimperialismus des 21. Jhdts.

Nochmals: „Aus linker Sicht gilt es, eine Multitude von Lebensverhältnissen auf dieser Welt herzustellen, die Migration ihre einseitige Richtung nimmt und „erratisch“ werden lässt, als Zeichen zunehmender Freiheit, Gleichheit, Fürsorge und Kooperation überall.“