LiFo 24.08.2014, 11.00 Uhr - Einführung und Diskussion

Ort: Donnerschweerstr. 55 

Militärinterventionen und die linke Bewegung in Deutschland

Fünfundzwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer, dem folgenden Untergang der Regime im Osten und dem Diktum vom „Ende der Geschichte“ stehen wir heute vor der Tatsache einer selten da gewesenen Vielzahl kriegerischer Konflikte. Angesichts dieser Entwicklung ist die linke Bewegung einigermaßen sprachlos; konfrontiert mit einem Bundespräsidenten,

der von Frieden spricht und sich doch dem Verdacht aussetzt, den Einsatz der Bundeswehr zu meinen, konfrontiert aber auch mit Menschen, die noch hinter jedem kritischen Wort eine Verschwörung vermuten (u.a. auch gegen die USA und Israel) und konfrontiert mit Kriegsparteien, von denen kaum eine dazu taugt, dass sie von linker Seite Unterstützung verdiente. Gleichzeitig scheint im Kontext einer ausschließlichen Orientierung an der „Öffentlichkeit“ und damit am Staat jede Differenzierung politischer Intervention verloren gegangen zu sein: Alles überhaupt mögliche Verhalten wird auf letzteren als den einzigen wirklichen Akteur projiziert. Hundert Jahre nach Beginn des 1. Weltkrieges und fast 70 Jahre nach Beendigung des 2. Weltkrieges werden die Hürden, die eine militärische Intervention erschweren sollen, offenbar abgebaut. 

Es ist also dringend an der Zeit, die Frage militärischer Interventionen der Bundeswehr neu zu diskutieren, um eine linke Position zu entwickeln, die nicht nur defensiv erscheint, weil sie aufgrund des Nichteingreifens entweder Menschenleben riskiert oder Diktatoren weiter an der Macht hält. Eine solche Diskussion bedarf zuallererst einer intellektuellen Erörterung der Raster, an denen sich aus linker Sicht eine Einschätzung kriegerischer Auseinandersetzungen orientieren sollte. Anknüpfend an unsere Diskussion zu Militärinterventionen im Januar dieses Jahres wollen wir den Diskussionsfaden wieder aufnehmen, einen solchen Systematisierungsvorschlag vorstellen und damit zumindest die Positionen klären, die aktuell in der linken Bewegung in der Diskussion um „Auslandseinsätze“ aufeinanderstoßen: Legitimiert die Zwecksetzung des Sturzes eines brutalen Diktators fast jeden Militäreinsatz bzw. delegitimieren ökonomische Kapitalinteresse jede Form von Militärintervention? Und sind dies die beiden einzigen Schablonen, die von linker Seite auf die erschreckende Vielzahl kriegerischer Konflikte anzulegen sind?

Ziel der Diskussion soll es sein, der heuchlerischen Propaganda, nur eine „aktive“ Außenpolitik sorge für Frieden und Freiheit, die aktuellen Katastrophen entgegenzusetzen, in die der Westen interveniert hat (unabhängig von der jeweiligen Motivlage, die zu den Interventionen führte). Gleichzeitig gilt es aber auch, über politische und ethische Grundfragen militärischer Interventionen zu diskutieren. In diesem Kontext bleibt u.a. zu klären, ob sich die linke Bewegung in ihrem Handeln vom Staat positiv wie negativ derartig abhängig machen will, wie es aktuell in den Diskussionen der Fall zu sein scheint.