Stellungnahme des Linken Forum Oldenburgs zu den Geschehnissen in der Ukraine

(Aktualisierte Fassung, Oldenburg, 01.06.2014)

Wir begrüßen jede Überwindung einer korrupten Regierung, sofern damit durch und für die Bevölkerung ein Zuwachs an Freiheit, Gleichheit und Solidarität erreicht wird. Aktuell deutet sich aber eher eine umgekehrte Entwicklung an: der neu gewählte Präsident der Ukraine ist ein Vertreter der gestürzten Janukowitsch Regierung, er hat seine Milliarden ganz

offensichtlich aus zumindest ethisch fragwürdigen Geschäften nach dem Zusammenbruch der ehemaligen Regime im Osten gescheffelt. Als Milliardär repräsentiert er maximale ökonomische Ungleichheit und wirtschaftliche Macht. Seine politische Legitimation ist begrenzt, da in den östlichen Landesteilen nicht abgestimmt wurde. Ein Wille zur friedlichen Beilegung der Spannungen in der Ukraine ist in seinen ersten Regierungshandlungen nicht zu erkennen. Zudem wurden inzwischen Milliardenkredite durch den IWF akzeptiert, die mit den üblichen autoritären Auflagen vergeben wurden und die, wie viele Beispiele zeigen - aktuell insbesondere Griechenland –, immer wieder zu Massenverarmung, erhöhtem Sterberisiko der Bevölkerung und Entsolidarisierung führen. Skeptisch stimmt uns weiter die direkte Integration der Mitglieder des rechten Sektors in den Staatsapparat, im Wesentlichen als paramilitärische und polizeiliche Gruppierung, womit einer offensichtlich faschistoid agierenden Gruppe unmittelbar staatlich-exekutive Gewalt verliehen wurde.

Wir verurteilen jede fremdstaatliche Einmischung, die berechtigte Rebellion vor den Karren von Großmachtpolitik und Imperialismus spannt, unabhängig davon, ob diese vom Westen oder Osten betrieben wird. Von den westlichen Regierungen fordern wir deshalb die Zurücknahme der Drohgebärden gegenüber Russland und neutrale Hilfe bei der Organisation einer umfassenden Volksabstimmung über die weitere Zukunft der Ukraine. Zudem darf es zu keiner Wiederholung einer „Troika Politik“ für die Ukraine kommen, die den griechischen Staat dauerhaft in den Ruin geführt hat und weite Teile der griechischen Bevölkerung in die Massenarmut und in den Zwang zur europäischen Migration, die einen breiten Aderlass für das griechische Sozial- und Gesundheitssystem darstellt. Von der russischen Regierung fordern wir, sich jeder militärischen Intervention zu enthalten. Auch bedarf es einer Klarstellung darüber, dass die Ostukraine - wenn überhaupt - dann nur im Rahmen einer freien internen Lösung der innerstaatlichen Konflikte und durch eine freie, demokratische Abstimmung das Staatsgebiet verlassen kann. Ohne diese Klarstellung ist die russische Regierung mitschuldig an dem sich entwickelnden Bürgerkrieg in der Ostukraine.

Und wir fordern vor jeder weiteren ökonomischen und politischen Festlegung eine faire und demokratische Abstimmung in der Ukraine über:

  • Die Einigung auf eine neue Verfassung
  • Die Bildung einer neuen Regierung,
  • Die Feststellung der gewünschten Form regionaler bis zu staatlicher Autonomie.
  • Die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit des Staates hinsichtlich sozialstaatlicher Ausgaben und der Bezahlung seiner zivilen Bediensteten

Wir sehen uns aktuell von einem Großteil der deutschen Presse nicht wirklich informiert. Stimmt es z.B., dass erste Maßnahmen der Regierung das Verbot der kommunistischen Partei, die Legalisierung nationalsozialistischer Propaganda, die Berufung von Mitgliedern des nationalistischen „Rechten Blocks“ in Regierungsämter und das Verbot aller ethnischen Minderheitssprachen umfassten (siehe: www.heise.de/tp/artikel/41/41108/1.html)? Wobei nur die letztere Maßnahme aufgrund internationaler Proteste gestoppt wurde? Erst eine umfassende, inhaltliche Berichterstattung zu dem Verhalten der neuen Regierungen ermöglicht eine fundierte Stellungnahme zu den politischen Veränderungen, die sich aktuell in der Ukraine vollziehen.

Als Linkes Forum sehen wir uns in der Tradition eines Internationalismus, der Staatsgrenzen als künstliche und zu überwindende Institutionen ansieht und die Zukunft in einer umfassenden Solidarität der Menschen erkennt. In der neuen Welle von Kleinstaaterei und nationalbürgerlichen „Erhebungen“ in Europa und in anderen Teilen dieser Welt ist aus unserer Sicht wenig Zukunftsfähiges zu erkennen, oft richten sich diese Erhebungen zwar einerseits berechtigerweise gegen Korruption und Unterdrückung, enthalten andererseits aber auch reaktionäre und rassistische Vorstellungen. Es ist unsere eigene gesellschaftlich-ökonomische Reproduktionsstruktur, die immer wieder zu Krisen, Unterdrückung und Ungerechtigkeit führt. Erst wenn die Bevölkerungen aller Länder sich die Hände über die staatlichen Grenzen zur Aufhebung dieser gesellschaftlichen Struktur reichen, wird es zu echtem Zuwachs an Freiheit, Gleichheit und Solidarität kommen.